Interview

Interview mit Carina Bischof, Mitorganisatorin von Fashion Open Studio

Mit der Neuausrichtung der Berlin Fashion Week im Jahr 2021 etablierte sich auch das internationale Format Fashion Open Studio, mit dem Ziel Kreativität, Innovation und vor allem Nachhaltigkeit dem Branchenpublikum in Berlin zu präsentieren und die Endverbraucher:innen in ihrem Konsum zu sensibilisieren. Ursprünglich wurde Fashion Open Studio von der London-based Initiative Fashion Revolution ins Leben gerufen. Eine Vereinigung von Designer:innen, politische Entscheidungsträger:innen, Marken, Einzelhändler:innen, Produzent:innen, und vielen weiteren Mode-Expert:innen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Modebranche positiv für Gesellschaft und Umwelt zu verändern. Wir haben mit Carina Bischof, Mitorganisatorin von Fashion Open Studio und Mitbegründerin des Vereins Fashion Revolution Germany, über die kommende Fashion Week in Berlin und andere Themen rund um Nachhaltigkeit gesprochen.


Wer und was ist Fashion Open Studio bzw. Fashion Revolution?

Mit dem Format Fashion Open Studio gewähren wir exklusive Einblicke in die Arbeit aufstrebender, internationaler sowie lokaler Designer:innen, die einen nachhaltigen Ansatz in der Mode verfolgen. Wir bringen Produzent:innen und Konsument:innen zusammen. In hybriden Formaten nehmen wir das Publikum direkt mit in die Ateliers und bringen Fair-Fashion-Expert:innen miteinander ins Gespräch.

Fashion Open Studio ist eine Initiative von Fashion Revolution, der weltweit größten Modeaktivismus-Bewegung. Die Nachhaltigkeits-Pionierinnen Carry Somers und Orsola de Castro gründeten die NGO 2013 nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch.

Was ist eure Message an die Modeszene (national und international)?

Fashion Revolution setzt sich für eine saubere, sichere, faire und transparente Modeindustrie  ein. Dabei engagieren wir uns unter anderem in den Bereichen Forschung, Bildung und internationale Zusammenarbeit. Gleichzeitig treten wir auf politischer Ebene für Verbesserungen ein.

Die Covid-19-Pandemie hat die zerrütteten Beziehungen und die Ungleichheit innerhalb der Mode-Lieferketten für alle sichtbar gemacht, ebenso wie die Verflechtung von Menschenrechten, Rechten der Natur und den Auswirkungen der Industrie auf den Klimawandel. Jetzt müssen wir genau dort ansetzen, um das System zu ändern und nicht wieder in alte Verhaltensmuster verfallen.

Wie siehst du das Zukunftspotenzial von Nachhaltigkeit: Standard oder Grundsatz in der Modebranche?

Nachhaltigkeit ist kein Trend. Es ist der einzig mögliche Weg, um mit den Herausforderungen der Klimakrise umzugehen. Die Modeindustrie gehört zu den größten Umweltverschmutzern und beutet Menschen und natürliche Ressourcen aus.

Laut des Berichtes „Scaling Circularity“ der Global Fashion Agenda und McKinsey & Company ist es möglich, dass die Modeindustrie zu 80 % kreislauffähig werden können, sofern auch in diesen Zweig investiert wird. Daher denke ich, dass Unternehmen, die es nicht schaffen sich auf eine kreislauffähige Produktionsweise anzupassen, nicht zukunftsfähig sind.

Wir sprechen immer von Veränderung der Mode und Nachhaltigkeit in Verwendung und Produktion, aber kommt das auch bei den Giganten wie Zara, Adidas und mehr auch an?

Sie stehen zumindest immer mehr im Zugzwang, aber die Verbesserungen reichen leider nicht weit genug und sind teilweise nicht zu Ende gedacht. Dies geht auch aus dem Fashion Transparency Index hervor – einem Transparenz-Ranking von Fashion Revolution, bei dem jährlich 250 der weltweit größten Modemarken unter die Lupe genommen werden.

Ist die Bewegung zur nachhaltigen Mode in der Berliner Modebranche besonders sichtbar – was fällt dir besonders auf?

Das Thema Nachhaltigkeit ist in nahezu allen Veranstaltungen der Berliner Fashion Week wiederzufinden, aber mit vollkommen verschiedenen Ansätzen. Um der Glaubwürdigkeit und einem gemeinsamen Qualitätsanspruch zu entsprechen, sollten die einzelnen Akteure noch stärker zusammenarbeiten. Wir freuen uns, diesen Transformationsprozess der Berliner Fashion Week mithilfe des Fashion Open Studio Programms mitzugestalten.

Wie seht ihr die Zukunft des Modestandorts Berlin?

Sehr vielversprechend. Berlin hebt sich was den Qualitätsstandard in Bezug auf Nachhaltigkeit angeht stark von anderen Städten ab. Der Grundstein für eine Veränderung begann hier schon Jahre bevor das Thema zum Trend wurde. Nun besteht die Herausforderung darin, genau dieses Potenzial zu bündeln und so nach außen zu tragen, dass wir auf internationaler Ebene die Position ausbauen.

Wie unterscheidet sich eurer Meinung nach die Berlin Fashion Week von anderen internationalen und nationalen Modewochen?

Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich zahlreiche Formate entwickelt, die das Thema Nachhaltigkeit bespielen. Diese Dichte und Tiefe ist meiner Meinung nach einzigartig und sollte noch mehr als Merkmal nach außen getragen werden.

Ihr habt eine große Bandbreite an Designer auf eurer Plattform, was ist zurzeit deine Lieblings-Collection/Brand?

Es ist sehr schwer bei den unterschiedlichen Ansätzen und Konzepten von einem Lieblingsbrand zu sprechen. Ich freue mich über die Vielfalt der Designer, die sich mit disruptiven Geschäftsmodellen, innovativen Materialien und Designtechniken, aber auch künstlerischen Ansätzen beschäftigen.

Gibt es weitere Berliner „Labels to Watch“ oder andere Organisationen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche, die man auf dem Schirm haben sollte?

Die Anzahl an Designern ist sehr groß. Eine gute Orientierung gibt die Fashion Open Studio Website, die neben den aktuellen Designern auch die der letzten Saisons und anderen Ländern aufzeigt.

Darüber hinaus ist der A-Gain Guide super spannend. Dies ist eine neue Plattform, die sich mit der Wiederverwertung von alter Bekleidung auseinandersetzt und aufklärt. Und natürlich sollte man den 202030 – The Berlin Fashion Summit nicht verpassen.

Letztes Mal bei der Fashion Week ein Wahnsinns-Showcase in Kooperation mit der MBFW, was habt ihr dieses Mal geplant?

Auch in dieser Saison haben wir einen Fashion Open Studio Showcase, diesmal zum Thema „Product & Purpose“ geplant. Wir präsentieren die Designer an drei verschiedenen Orten: Superconscious Store, POOL Showroom und im Rahmen des 202030 – The Berlin Fashion Summit.

An den jeweiligen Orten werden ausgewählte Looks der Designer:innen ausgestellt und man kann in die Gedankenwelt der Kreativen eintauchen und deren Praktiken kennenlernen.

Gibt es auf der diesjährigen Fashion Week in Berlin Veranstaltungen, Designer, Redner, Workshops oder Diskurse, auf die ihr euch am meisten freut?

Ich freue mich schon sehr auf die Fashion Open Studio Talks zu den Themen MONEY - FASHION - POWER. Diese werden mit unseren Partnern, dem 202030 – The Berlin Fashion Summit, der MBFW und Pool.Berlin durchgeführt.

Neben eurer Präsenz auf der diesjährigen Berlin Fashion Week, was habt ihr für 2022 noch geplant?

Das Fashion Open Studio Programm findet in Berlin in diesem Umfang exklusiv zur Berlin Fashion Week statt und wird voraussichtlich auch in der zweiten Jahreshälfte fortgeführt.

Mit unserem Verein Fashion Revolution Germany beschäftigen wir uns dieses Jahr, neben der Fashion Revolution Week 2022 auch auf die EU-Bürgerinitiative „Good Clothes, Fair Pay“, die das Thema faire Löhne in der Lieferkette in den Mittelpunkt rückt. Außerdem können sich Interessierte über unsere Website, die Social-Media-Kanäle, sowie über unseren Podcast „We are Fashion Revolution“ über aktuelle Themen rund um das Thema nachhaltige Mode informieren.

Teilnehmende Designer:innen: AMESH / Anekdot / Anima Protection / Become A-Ware / Catalogue of Disguise / Church of the Hand / Emeka Suits / IVY & OAK / Melisa Minca / Patrick McDowell / Rafael Kouto / Renata Brenha / Studio.fbx / Vladimir Karaleev


Alle Events der Fashion Open Studio werden demnächst im offiziellen Kalender der Berliner Fashion Week 2022 veröffentlicht. Um nichts zu verpassen, schaut bei @fashionopenstudio oder @berlinfashionwe auf Instagram vorbei.

Presseanfragen bitte an: info@muellerpr.de