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Interview mit Traian Luca, CEO von Gemini CAD Systems
Wie können moderne Technologien für Design nutzbar gemacht werden und inwiefern beeinflusst das die Nachhaltigkeit? Gemini CAD Systems präsentierte auf der NEONYT 2019 in Berlin die Mikrofabrik „Pixel To Product“ für High-End-Mode. Wir haben mit Traian Luca, CEO und Mitbegründer von Gemini CAD Systems, über Computer Aided Design (CAD) und Computer Aided Manufacturing (CAM) gesprochen.
Herr Luca, was bedeutet Modedesign für Sie?
Der Ausdruck „Modedesign“ muss definiert werden, bevor ich auf die Frage antworten kann. In einem einfachen und naiven Verständnis bedeutet Modedesign, ein Kleid auf ein Blatt Papier zu skizzieren, einige Stoffschnitte zuzuschneiden und Farben hinzuzufügen. Allerdings ist das noch weit entfernt davon, eine Bluse herzustellen, die später auf einem Kleiderbügel in einem Zara-Laden hängt. Daher muss eine korrekte Definition von Modedesign um die Komponente der sogenannten Produktentwicklung erweitert werden. Es müssen natürlich mehrere Personen aus unterschiedlichen Fachgebieten in diesen Prozess involviert werden, aber es ist sehr wichtig, die Produktion als einen einheitlichen, kompakten Ablauf zu betrachten, in dem Werkzeuge, Technologien und Kompetenzen kompatibel und komplementär zueinander sein müssen.
Welche Möglichkeiten bietet CAD im Fashiondesign?
Das Design sollte vom Computer unterstützt werden. Das ist die Definition von CAD (Computer Aided Design). Ästhetische Ideen durch ein digitales Werkzeug auszudrücken, kann für einen Künstler frustrierend sein, der es gewohnt ist, frei mit der Hand Sketches auf der Rückseite eines A4-Excelsheets zu skizzieren. Aber Mode ist Kunst, die auf ein Business angewendet wird. Man muss sich also Gedanken über die Anwendbarkeit der Ergebnisse seiner künstlerischen Inspiration machen. Auch über die Flexibilität und Fähigkeit, auf die Rückkopplungsschleife der Stakeholder im Prozess zu reagieren. Dies ist der Moment, in dem CAD-Werkzeuge ihren wahren Wert zeigen.
Wie beeinflusst CAD den Produktionsprozess in Bezug auf Nachhaltigkeit?
CAD führt auf vielen verschiedenen Wegen zu mehr Effizienz, einige davon sind offensichtlich, andere weniger. Wenn man physische Proben, die via Luftkurier ausgetauscht werden, durch digitale Simulationen ersetzt, kann man sowohl den CO2-Fußabdruck, als auch die benötigte Zeit drastisch reduzieren. Eine bessere Bereitstellung exakter Produktinformationen für die Konsumenten, kann die hohe Anzahl der Retoure-Sendungen reduzieren, die derzeit für eine enorme Verschwendung von Ressourcen verantwortlich ist. Hocheffiziente Nesting- und Produktionsplanungstools reduzieren den Materialverbrauch. Zum Beispiel betragen die jährlichen Einsparungen bei der Verwendung von Stoffen, durch den Einsatz von Gemini Nest Expert, weltweit 210.000 Tonnen CO2.
Was bedeutet CAD für Nachwuchsdesigner? Kann jemand durch CAD zum Fashiondesigner werden?
CAD ist ein Werkzeug. Es kann Talent und Inspiration nicht ersetzen. Aber es befähigt diejenigen, die die richtigen Eigenschaften haben. Junge Designer, die CAD ignorieren, sind wie Fotokünstler, die PhotoShop ignorieren.
Was erwartet uns in Zukunft im Bereich von CAD? Welche Features sind in der Entwicklung?
CAD entwickelt sich sehr schnell und dieser Trend wird sich fortsetzen. Die meisten Verbesserungen werden bei der Integration der vor- und nachgelagerten CAD-Tools vorgenommen, um die Voraussetzungen für Automatisierung und Industrie 4.0 zu schaffen. CAD wird derzeit von mehreren Cloud-Plattformen unterstützt, die Datenbanken mit Ressourcen wie Stoffen, Zubehör, Körpermaßen und gescannten 3D-Avataren, Integration mit E-Shop-Plattformen usw. bereitstellen. Dieser Informationsfluss bietet die Möglichkeit, auch Teile der Produktentwicklung und -anpassung zu automatisieren, was ebenfalls Teil des CAD-Prozesses ist.
Was leistet CAM für mehr Nachhaltigkeit in der Fashion-Produktion?
CAM (Computer Aided Manufacturing) ist eine direkte Folge und Anwendung von CAD. Glücklicherweise lässt sich inzwischen behaupten, dass CAM Teil der normalen Fashion-Produktion ist, oder zumindest, wenn wir über die Herstellung in großem Maßstab sprechen. Die Implementierung von CAM in kleineren Produktionsstätten bedeutet eine Senkung der Arbeitskosten und bietet die Möglichkeit, die Produktion vor Ort über Mikrofabriken und automatisierte Anlagen wieder aufzunehmen. CAD-/CAM-Lösungen ermöglichen auch kürzere Lieferfristen und verbessern die Erfahrung bei der Bestellung kundenspezifischer Produkte. Just-In-Time-Produktion bedeutet, unnötige Bestände und Verschwendung zu vermeiden.
Inwiefern können Designer von der CAM-Technologie profitieren?
Designer können nicht direkt von CAM „profitieren“. Es ist eher so, dass sie durch CAM mehr Verantwortung haben, da die für CAM notwendige Datenquelle von ihnen während der Produktentwicklung im CAD generiert werden muss. Im Endeffekt hat das natürlich einen Mehrwert für die Designer, da sie die aktuellsten Produktionstools einsetzen. Die Industrie kann es sich nicht leisten, dass einige „Künstler“ sind, die Kleider skizzieren, gefolgt von „Ingenieuren“, die CAM-Daten entwerfen und erstellen. Die Informationen müssen gleichzeitig generiert werden und produktionsbereit sein. Unsere neuen Software-Tools sind dafür entwickelt worden, den Designer zu befähigen, diese neue Rolle als „Produktentwickler“ zu übernehmen. Die Designer sind nun am Zug, diese Gelegenheit zu nutzen, um darauf zu reagieren.