"Wir sind in der Anfangsphase einer großen Entwicklung!"

Alicia Sophia Hinon und Massimiliano Bariola haben mit uns über ihren smarten Handschuh CROVE gesprochen.

Unter den Smart Wearables gibt es auffallend viele Produkte, die für die menschliche Hand entwickelt werden. Smart Gloves bilden einen wichtigen Trend auf dem Fashiontech-Markt. Auch die beiden Berliner Alicia Sophia Hinon und Massimiliano Bariola haben einen smarten Handschuh entwickelt. Er heißt CROVE und soll den Menschen und dessen Bedürfnisse wieder ins Zentrum technologischer Wearables rücken. 2019 werden Alicia und Massimiliano der Öffentlichkeit voraussichtlich den ersten Prototypen vorstellen. Wir haben mit ihnen über die Idee, die Funktionen und Ziele gesprochen.

Welchen wissenschaftlichen Hintergrund habt ihr? Woher kommt das Interesse für die menschliche Anatomie einerseits und für die Möglichkeiten moderner Technik auf der anderen Seite?

Alicia Sophia: Danke für die Frage! Darauf würde ich gerne mit einer Gegenfrage antworten: Wie könnte jemand kein Interesse daran haben, Dinge zu vereinfachen, in einer Welt, die immer komplexer wird? Und ganz offensichtlich ist: Die menschliche Hand ist eine der vielseitigsten Erfindungen der Natur. Aber wenn es um Technik geht, degradieren wir die Aufgaben der Hand zum simplen Tippen mit Zeigefinger. Ich komme aus der Kommunikation und bin immer erstaunt über all die kreativen Wege, über die Menschen miteinander kommunizieren: Sprache, Zeichen, Musik, Gesichtsausdrücke, Körpersprache, sogar Mathematik. Wir sehen, hören, fühlen und nehmen mit unseren Sinnen wahr – auf multiplen, direkten und abstrakten Ebenen. Aber Technologie versteht dich bis jetzt nur, wenn du einen Button mit dem Finger auf einem Screen anklickst…

Massimiliano: Ich bin ein Computer Science Engineer und komme ursprünglich aus der Forschung und Entwicklung. Nach Jahren des Studiums des menschlichen Handelns in all seiner Komplexität bin ich davon überzeugt, dass Technologie letztendlich dem Menschen und seiner Umwelt dienen sollte. Also, anstatt dem Menschen übergestülpt zu werden und als Stütze oder feindseliges Element wahrgenommen zu werden, sollte Technologie den Menschen unterstützen. Für die Zukunft wünsche ich mir eine synergetische Verbindung zwischen Mensch und Technologie.

Wie ist die Idee zu CROVE entstanden?

Massimiliano: Die Idee entstand im öffentlichen Personennahverkehr. Es war wie eine Epiphanie nach einem Fast-Unfall. Während ich darüber nachdachte, warum das passiert ist und ob etwas gegen solche Vorfälle getan werden könnte, traf mich die Idee wie ein Blitz. Ich wachte mitten in der Nacht auf und begann den ersten Prototypen zu entwickeln. Je länger ich daran arbeitete, desto offensichtlicher wurde, wie viele verschiedene Anwendungsgebiete es für die Idee in unterschiedlichen Bereichen gibt.

Wie funktioniert CROVE? Wer benötigt es und wofür genau?

Massimiliano: Wenn du jemals das Gefühl hattest, dass eine deiner täglichen Interaktionen mit Technologie natürlicher und intuitiver gestaltet werden könnte, stehen die Chancen gut, dass du CROVE für ein nützliches Tool hältst, um deinen Alltag zu vereinfachen.

Alicia Sophia: Darauf gibt es zwei Antworten: Kurzgesagt ist es die Aufgabe von CROVE, B2B-Prozesse zu beschleunigen, zu vereinfachen und zu präzisieren und damit im Endeffekt zukünftigen Geschäftspartnern eine Menge Geld einzusparen. Mit seiner Technologie wird CROVE Geräte und Produktionsketten steuern und komplexe Routine-Aufgaben, wie Dokumentationen oder Vermessungen direkt übernehmen – eine visuelle Bestätigung wird nicht nötig sein und die Hände werden frei bleiben, um die eigentliche Arbeit zu verrichten. Die Vision ist, wie Massi es ausgedrückt hat: CROVE wird es jedem intuitiv (und einen Schritt weiter in die Zukunft gedacht, mit der Unterstützung durch Künstliche Intelligenz) ermöglichen, mit den IoT-Technologien zu interagieren, die ihn umgeben und wird sogar das Drücken des Power-Buttons, um die Kaffeemaschine anzustellen, überflüssig machen.

Welche Partner habt ihr aus der Wirtschaft und Wissenschaft? Wie finanziert sich euer Startup?

Massimiliano: Wir haben das Startup-Stipendium der TU Berlin gewonnen, das es uns erlaubt, uns darauf zu fokussieren, den Prototypen zu einem Stadium zu bringen, in dem er nützlich für zukünftige erste Kunden sein wird. Natürlich haben wir auch interessierte Investoren, aber es ist nicht unser Ziel, einfach Geld zu sammeln. Wir sind in erster Linie daran interessiert, Partner zu finden, die die Chance nutzen wollen, an der Weiterentwicklung der Features von CROVE mitzuwirken.

Alicia Sophia: Die TU und unsere dortigen Mentoren helfen uns, indem sie uns Zugang zur neuesten Forschung gewähren und uns moderne Technologien zur Verfügung stellen. Wir könnten uns keine bessere Forschungsumgebung vorstellen. Ganz aktuell bemühen wir uns um eine zusätzliche Kooperation mit einem führenden deutschen Forschungsinstitut, das hier in Berlin ansässig ist und wir haben eine enge Verbindung zum Kompetenzzentrum Textil vernetzt und dessen Partnern mit einer großartigen Expertise im Bereich Textilproduktion und Sensortechnik. Wir erhalten auch viel Unterstützung von der Stadt Berlin und “Berlin Partner” und wir sind in Gesprächen mit potenziellen Kunden, um CROVE besser auf deren Bedürfnisse abzustimmen.

Was ist das Besondere an CROVE? Wie unterscheidet er sich von anderen Smart Gloves?

Alicia Sophia: Zuerst möchte ich betonen, dass ich die aufstrebende Landschaft des FashionTech hier in Europa einfach großartig finde und wir sind stolz ein Teil davon zu sein! Wir sind in der Anfangsphase von einer großen Entwicklung! Uns scheint, dass die meisten unserer Mitwettbewerber immer noch eher dem “Form follows Function”-Prinzip folgen. Daraus resultiert, dass die Produkte oft etwas an attraktivem Design zu wünschen übrig lassen oder dieses nachträglich hohe Kosten verursacht. Unser Fokus ist ganz klar ein Design, dass sich nach dem Menschen richtet, ein Fashion Piece, das sogar Lady Gaga gerne bei ihrer Show tragen würde und gleichzeitig das starke Ziel der Bezahlbarkeit.

Massimiliano: Die Hand scheint das Lieblingskörperteil zu sein, auf das heutzutage alle aufbauen wollen. Tatsächlich sind einige der neuesten Vorschläge, die wir gesehen haben, ziemlich spannend, aus einer technologischen Perspektive. Wir haben uns dazu entschieden, aus einer ergonomischen Perspektive heraus zu designen, indem wir die richtige Menge an Technologie auswählen, die nötig ist, um CROVE User mit einer weiten und konfigurierbaren Auswahl an Funktionalitäten auszustatten. Wir haben viel darüber nachgedacht, wie wir den Optimalpunkt zwischen Flexibilität und Einfachheit erreichen.

An welchem Punkt im Entwicklungsprozess steht ihr ganz aktuell? Wie weit ist der Prototyp entwickelt?

Massimiliano: Wir haben einen funktionalen Prototypen, der mit nahezu allen Features ausgestattet ist, die wir für wichtig erachten für eine erste Version.

Alicia Sophia: Ich denke wir werden unser “Eye Candy” innerhalb der ersten Hälfte des kommenden Jahres präsentieren können – also haltet Ausschau nach uns auf den relevanten Ausstellungen und Messen hier in Berlin.

Was verursacht die größten Probleme im Entwicklungsprozess? Sind es eher die hardware- oder die softwarebezogenen Themen?

Massimiliano: Momentan ist es die Optimierung des “Look and Feel” und die finale Ergonomie des MVP.

Alicia Sophia: Vielleicht ist es auch erwähnenswert, dass sich die Öffentlichkeit zunehmend bewusst darüber wird, wie Technologie sich weiterentwickelt und welche Daten dabei kreiert werden. Deshalb haben wir nicht gerade wenig Zeit damit verbracht, eine sichere und vertretbare Infrastruktur zu entwickeln, um die Designfehler der ersten IoT-Geräte zu überwinden.

Wie würdet ihr das Ziel definieren? Wohin führt der Weg für CROVE?

Alicia Sophia: Es ist weniger ein finales Ziel, aber umso mehr eine stetige Vision. Technologie muss zugänglich bleiben für Menschen, sonst erzeugt sie Angst und Ungleichgewicht. Was mir auffällt ist, dass wir es lieben, Iron Man oder Harry Potter im Fernsehen dabei zuzusehen, wie sie Magie praktizieren, indem sie einfach die Hände heben. In unserem eigenen Alltag tun wir hingegen alles, um derartige Technologien zu vermeiden, zugunsten von komplizierten und beschränkten Interface Designs. Wir wollen stattdessen jedem einen persönlichen, präzisen und intuitiven Zugang ermöglichen.

Massimiliano: Wie Alicia bereits sagte, CROVE ist nur ein kleines Stück im Mosaik einer größeren Vision, die sich darum dreht, eine mehr menschenbezogene Interaktion mit der Technologie zu kreieren und die zentrale Rolle des Menschen in dieser Beziehung wiederherzustellen. Die durchschnittliche Person fühlt sich etwas hilflos und ist unsicher darüber, welchen digitalen Fußabdruck sie hinterlässt und wie diese benutzt wird um die Zukunft zu formen. Denkt nur an die extrem geringe Anteilnahme an dem Thema Smart Cities und wie stark die Interaktion mit dem Digitalen durch das Nadelöhr der Darstellung auf Screens gezwungen wird. Wir möchten das ändern.

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