Pressemitteilung
„Nachhaltigkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein!“ – Ein Interview mit Karen Jessen
Mit der Idee, dass alte Materialien in viel Handarbeit zu neuem Leben erweckt werden können, ist sie quasi aufgewachsen. Und dieses Konzept war es auch, das von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und dem Fashion Council Germany im Rahmen des Mentoring-Programms für nachhaltige Mode prämiert wurde. Uns verrät Karen Jessen im Interview, was sie inspiriert, was ihrer Meinung nach Berlin mit Nachhaltigkeit zu tun hat und wo sie sich mit ihrem Label Benu Berlin in fünf Jahren sieht.
Wie bist du zur Mode gekommen?
Das Handwerk ist meine Leidenschaft. Und ich bleibe konsequent bei meinen Wurzeln. Von meinem Vater lernte ich den Seemannsknoten und von meiner Mutter das Häkeln, Stricken, Zwirnen und Makramee. Meine Liebe zur Mode ist über Materialien und Handwerkstechniken gekommen. Bereits von Kindesbeinen an habe ich Kleidungsstücke designt, so dass es aus meinem heutigen Leben gar nicht mehr wegzudenken ist.
Woher kommt der Name deines Labels?
Benu ist in der griechischen Mythologie ein farbenfroher Vogel mit goldenen, pinken, lila und blauen Federn. Sein Nest baut er aus Weihrauch, Myrrhe und anderen Gewürzen. Wenn der Benu zu seinem Nest zurückkehrt, geht er in Asche auf. Wie man es vom Phoenix, der aus seiner Asche steigt, kennt, wird er wiedergeboren: jünger, stärker und schöner als je zuvor.
Das erste Stück meiner Abschlusskollektion an der ESMOD war ein Mantel, gefertigt aus 70 T-Shirts, die aus sämtlichen Second-Hand-Shops Berlins stammten. Ich habe all diese T-Shirts in Stücke geschnitten und verarbeitet und am Ende sah der Mantel aus wie ein bunter Vogel. Es war so offensichtlich. Ich habe ein Kleidungsstück kreiert, das dem Phönix aus der Asche glich. Sogar die Tatsache, dass etwas bereits verloren Geglaubtes in noch schönerem Glanz erstrahlt und wertvoller ist als zuvor, passt zu der Fabel. Und das entspricht auch dem Prinzip des Upcyclings: Die Wertigkeit eines Produkts erhöhen.
Was inspiriert dich?
Was mich wirklich inspiriert ist die Stadt Berlin selbst. Nur hier können so viele verschiedene Nationalitäten und kreative Köpfe wie Künstler und Modeschöpfer, wie in einem Schmelztiegel zusammenkommen, um neue Konzepte und Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen. Berlin ist mein Motor: Hier treffe ich die unterschiedlichsten Menschen und kann von ihnen lernen und ich habe nur schöne Dinge um mich herum, die mich beflügeln.
Was ist es, das an deinem Label nachhaltig ist?
Mit dem Konzept, aus Streetwear-Materialien künstlerische und extravagante Kollektionen zu fertigen, schaffe ich eine Verbindung zwischen Kunst und Mode. Die Schnittführung ist athletisch und stark, trotzdem sehr feminin. Mit meiner Kollektion hauche ich Altem wieder neues Leben ein und bringe es zum Blühen. Nachhaltigkeit ist für mich dabei selbstverständlich. Es ist allerdings nicht mein Anspruch dies ständig zu kommunizieren, denn meine Kollektionen verstehe ich als Rebellion gegen die Missstände der Bekleidungsindustrie und gegen die Wegwerfgesellschaft! Die Materialien, die ich verwende, sind alle recycled. Dabei ist es selbstverständlich für mich, dass ich zu 100 Prozent nachhaltig arbeite.
Wir müssen endlich aufhören nachhaltige Mode als solche immer wieder zu deklarieren. Nachhaltigkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein!
Würdest du bitte beschreiben, wie sich das Thema Nachhaltigkeit im Laufe der Jahre verändert hat?
In der heutigen Gesellschaft hat Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert. Meine Generation ist in der Pflicht immer nachhaltigere Lösungen anzubieten, um unseren Planeten zu erhalten. Wir haben bereits so viel davon zerstört, sodass wir über Nachhaltigkeit in einem ganzheitlichen Rahmen nachdenken müssen. Es ist schon ein bisschen spät, über Nachhaltigkeit in so kleinem Rahmen nachzudenken. Wir müssen uns beeilen, neue Wege für einen respektvollen Umgang von der Produktion bis zur Entsorgung innerhalb der textilen Kette zu finden, um unseren Planeten so zu erhalten, wie er momentan ist. Anderseits würde ich weniger optimistisch in die Zukunft blicken.
Glaubst du Berlin hat einen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten können?
Berlin ist das Epizentrum für Nachhaltigkeit. Vor allem hier sind viele Menschen an nachhaltigen Lösungen, was den Konsum – nicht nur den von Mode, sondern auch den in anderen Bereichen – anbelangt, interessiert. Insbesondere hier haben wir die Vielfalt und auch die Freiheit andere dahingehend zu sensibilisieren, was in der Welt passiert. Hier gibt es eine Menge Menschen, die an eine Vorstellung von hundertprozentiger Nachhaltigkeit glauben. Und nur deswegen können hier solcher Art Ideen wachsen und gedeihen.
Wo siehst du die Modewirtschaft bzw. dein Label im Bezug auf Nachhaltigkeit in fünf Jahren?
Ich denke, der nächste Schritt um mein Label nach vorne zu bringen, wird sein, eine Ready-to-wear-Kollektion zu fertigen. Berlin wird weltweit gehyped, so dass Berlins ökonomische und ökologische Strahlkraft ungebrochen ist. Weil Benu Berlin typische Berliner Kleidungsstücke wie Jeans und T-Shirts verwendet und diese mit ausgearbeiteten, handwerklichen Techniken zu urbaner tragbarer Kunst verarbeitet, in der der Einfluss dieser Stadt sichtbar ist, sollte es möglich sein Benu Berlin auf dem internationalen Modemarkt zu etablieren. Ich möchte die kreative Kraft nutzen, um Kleidung mit einer Berlin-DNA international bekannter zu machen. Wir Berliner Designer müssen unser Potential nach außen tragen und in andere Märkte eintauchen. Das möchte ich in Zukunft fortsetzen und Benu Berlin einem breiteren Publikum näher bringen.
More Informationen zu BENU Berlin: http://www.benu-berlin.com/