Interview
Interview mit Designerin Judith Bondy zu ihrer Brand BONDY
Nachhaltigkeit.
Das ist das Motto des Berliner Modelabels BONDY. Somit ist es Teil einer neuen Welle von Designer:innen, die destruktive Aspekte der Modebranche ablehnen. Die Mission ist es, moralisch und nachhaltig zu produzieren. Die Mehrheit aller Stoffe, die von der Brand vertreten werden, stammen aus zweiter Hand oder werden aus toten Beständen zu Kreationen wiederverwertet. BONDY Kleidungstücke werden hauptsächlich auf Bestellung oder in limitierten Mengen hergestellt, um die Nachfrage abzudecken und Abfall zu minimieren.
Judith Bondy, Designerin sowie Gründerin ihres ersten Modelabels, teilt in diesem Interview nicht nur ihre Visionen mit uns, sondern auch den positiven Wandel, den nachhaltiger Konsum mit sich bringt, werden aufgegriffen.
Hallo Judith, kannst du dich kurz vorstellen und vor allem deine Brand Bondy – wofür steht sie?
Ich wurde 1989 in Berlin Schöneberg geboren, bin dort aufgewachsen und nach dem Abitur nach Kreuzberg gezogen, wo ich noch immer wohne. Mit 12 Jahren kaufte meine Oma (Schneiderin) meiner Mutter eine Nähmaschine, die ich sofort in Beschlag nahm. Zuerst nähte ich Teddybären und später Faltenröcke aus alten Gardinen. Nach dem Abitur habe ich mein Modedesign Studium an der HTW begonnen, studierte ein Semester an der AMFI (Amsterdam Fashion Institute) und wechselte zurück in Berlin an die Kunsthochschule Weißensee, wo ich 2018 mit dem Master abgeschlossen habe. Da ich durch den großen Erfolg meiner Masterarbeit viel mediale Aufmerksamkeit bekam gründete ich noch im selben Jahr mein Label BONDY.
Mit BONDY kreiere ich Fantasiewelten und nutze sie als interdisziplinäre Plattform für die Zusammenarbeit mit anderen Kreativen. Unser Markenzeichen ist das Material “Tüll”, aus dem wir moderne Couture kreieren. Sprich: aufwändige Kleider herstellen, die die Schnittstelle zwischen Kunst und Mode bilden. Zusätzlich arbeite ich mit unkonventionelle Materialien, die oft im Kontrast zu dem eher lieblichen und weichen Tüll stehen.
Mode wird noch zu oft traditionell gedacht und schnelllebigen Trends wird hinterhergerannt. Das lehne ich beides ab. Ich habe es zu meiner Aufgabe gemacht die Modebranche zu verbessern und weiterhin den Konsum von nachhaltigerer Mode zu fördern. Unsere Form der Mode soll bewusst und in unkonventionellen Räumen konsumiert werden wie auf kollaborativen Einzelhandelsflächen und innovativen, digitalen Plattformen.
Die digitale Plattform ist eh ein wesentlicher Bestandteil unseres modernen Lebens, weshalb ich die Relevanz meiner Firma durch die Integration digitaler Arbeit in der Zukunft sichern möchte, z.B durch die Kooperation mit 3D- KünstlerInnen.
Mit meiner neuen Kollektion NEVEREND habe ich mein Debut auf der Berlin Fashion Week im März 2022 gefeiert. Wir haben statt einer Modenschau eine Präsentation gewählt, bei der die Models in einem Set standen, sich bewegten und mit dem Publikum interagiert haben. Im Hintergrund legte ein DJ elektronische Musik auf, damit die Präsentation in eine Party übergehen konnte. Unsere Mode soll jedem zugänglich sein und die Präsentation soll allen Spaß machen.
Zur letzten Berlin Fashion Week hast du in der Platte.Berlin eure Kollektion gezeigt? Wie war es für euch? Was macht für euch das neue Konzept der Platte.Berlin aus?
Die PLATTE ist sehr repräsentativ für Berlin – ein Plattenbau mitten am Alexanderplatz, der multidisziplinär arbeitet und neben dem Angebot an High Fashion auch Veranstaltungen und Workshops anbietet. Die PLATTE repräsentiert junge, interessante DesignerInnen, die, wie wir, das traditionelle und veraltete System der Mode ablehnen. Die PLATTE hebt sich von anderen Locations ab, sie ist laut, frech und eigen, und das gefällt uns sehr.
Zusätzlich hat das Team der PLATTE mein Label auch in den letzten Jahren stark supported und ich bin stolz darauf, dass ich mein Debut dort feiern durfte.
Du sagst selber, dass ihr als Brand nicht mit dem Fashion Zyklus geht – was ist der Grund?
Als Slow-Fashion-Couture-Designer fordere ich die Aspekte der Modeindustrie heraus, die die Gesellschaft in die Normalität adaptiert hat. Zum Beispiel veröffentliche ich normalerweise nur ein bis zwei Kollektionen pro Jahr mit kleineren Veröffentlichungen dazwischen und halte mich nicht an die typische Saisonplanung. Meiner Meinung nach brauchen wir keine Cruise, Resort, Pre-Fall und Holiday Kollektionen zwischen den zwei großen Kollektionen im Jahr. Stattdessen kreiere ich hochwertige, gut durchdachte Stücke, die nicht den aktuellen Trends der Laufstegsaison entsprechen. Auf diese Weise ist der einzelne Verbraucher besser darüber informiert, wie und wo seine Kleidung hergestellt wird, was die Etablierung der Fast-Fashion-Industrie in Frage stellt und den nachhaltigen Konsum von Kleidungsstücken fördert, die ein Leben lang getragen werden können. Unsere Kollektionen sind nicht saisonal gedacht wodurch die Relevanz der einzelnen Teile auch nach Jahren noch erhalten bleibt. Wir wollen uns nicht einschränken und immer wieder mit etwas Neuem überraschen. Vielleicht gibt es statt einer Kollektion auch mal Interior oder Ähnliches.
Ihr produziert eure Kollektionen aus Deadstock-Material (Material, das nicht verkauft werden konnte) und ihr sagt ganz selbstbewusst, dass euch Slow-Fashion extrem wichtig ist. Das zahlt alles auf nachhaltigen Konsum und Produktion ein – macht ihr noch mehr?
Indem wir hauptsächlich Einzelanfertigungen in begrenzten Mengen herstellen, produzieren wir nur, um unseren Bedarf zu decken und so wenig Abfall wie möglich zu verursachen. Auf diese Weise können wir uns auf die Qualität unserer Kleidungsstücke konzentrieren und sicherstellen, dass jedes Detail perfektioniert ist. Der kontinuierliche Weg zu nachhaltiger Produktion bedeutet, dass wir ständig innovativ sein müssen. Wir beziehen den Großteil unserer Stoffe aus zweiter Hand und verarbeiten Altbestände und Vintage-Textilien zu neuen Kreationen. Wir haben vor kurzem begonnen, Schmuck mit der gleichen nachhaltigen Denkweise zu produzieren, indem wir Vintage-Perlen in begrenzten Mengen beschafften, um einzigartige Stücke zu schaffen. Während einige nachhaltige Mode als Hindernis ansehen, nutzen wir die Gelegenheit, unsere Kreativität herauszufordern, indem wir verfügbare Materialien verwenden und sie wiederverwenden, um sie an BONDYs Ästhetik anzupassen.
Zusätzlich verleihen wir unsere Samples gegen eine Leihgebühr um den Gedanken etwas “Besitzen zu müssen” zu hinterfragen.
Man könnte von uns für seine Hochzeit auch einfach ein Kleid leihen, statt es zu kaufen um es nur ein einziges Mal anzuziehen.
Nachhaltige Mode wird nicht nur für die DesignerInnen sondern auch für die KonsumentInnen immer wichtiger – was denkt ihr, wie man KonsumentInnen noch mehr sensibilisieren oder sogar für nachhaltige Mode begeistern kann?
Wir treten besonders über social Media mit unseren KundInnen in den Diskurs. Wir erklären transparent unsere Preisstrategien, zum Beispiel wieviel es kostet ein T-shirt so fair wie möglich zu produzieren und wie sich dies auf einen realistischen Verbraucherpreis niederschlägt. Unserer Erfahrung nach sind KundInnen eher bereit einen gewissen Preis für Mode auszugeben, wenn sie die Preisgestaltung verstehen können, und aufgrund einer transparenten Produktionskette mit einem besseren Gefühl einkaufen können. Gleichzeitig sind unsere KundInnen zum Teil auch sehr jung und haben nicht so viel Geld. Hier bieten wir dann vereinzelnd Rabatte an, damit sie sich nachhaltige Kleidung von uns leisten können. Ansonsten ist es wichtig nie aufzuhören die Missstände in der Modeindustrie aufzuzeigen. Als junge Designerin sehe ich mich in der Pflicht die Modeindustrie etwas besser zu machen. Einfach nur schöne Produkte zu produzieren reicht hier nicht aus.
Berlin steht für nachhaltige Mode, hier ist in den letzten Jahren sehr viel passiert. Wie seht ihr die Entwicklung und gibt es noch Luft nach oben?
Die KonsumentInnen heute sind viel kritischer als früher und das begrüßen wir total. Dadurch wird der Druck auf die Modeindustrie erhöht. Für uns kleine Designer ist es zum Teil einfacher nachhaltig zu arbeiten, weil wir durch unsere Größe flexibler sind. Dennoch müssten die großen Firmen, vor allem im Fast Fashion Bereich, komplett umstrukturieren um nachhaltiger zu werden. Da sehe ich leider überwiegend Greenwashing. Sprich: es wird mit Nachhaltigkeit geworben aber sie wird nicht umgesetzt oder der Anteil nachhaltig produzierter Kleidung ist im Vergleich zum Hauptgeschäft verschwindend gering. Am Ende geht es darum weniger und bewusster zu konsumieren.
Durch das viele Greenwashing wird die Glaubhaftigkeit von Nachhaltigkeit in der Mode auch sehr in Frage gestellt. Das ärgert mich eigentlich am meisten. Denn dadurch legen uns die großen Firmen zusätzlich Steine in den Weg.
Trotzdem ist es eine wichtige und berechtigte Frage ob Mode überhaupt nachhaltig sein kann. Schlussendlich ist definitiv noch Luft nach oben, aber ich bin optimistisch und habe große Hoffnung, wenn ich mir die jüngeren Generationen anschaue.
Inspiriert euch Berlin bei den Kreationen eurer Mode (ich finde, dass man schon Hinweise auf diverse Subkulturen erkennen kann)?
Auf jeden Fall – ich bin hier geboren und in einem politisch links orientierten Elternhaus aufgewachsen, sprich meine Eltern gehörten der 68er Studentenbewegung an.
Schon im frühen Jugendalter habe ich mich in Subkulturen bewegt und wurde dort sozialisiert. Auch das Nachtleben und die dort gelebte Extravaganz haben mich geprägt. Dadurch empfinde ich die Mode hier als offener und lockerer als in anderen Großstädten. Ich glaube in keiner anderen Stadt kann man mit Sneakern in einem Sternerestaurant essen gehen. In Berlin trägt man die Prada Tasche zu der Jacke, die man zuvor auf der Straße gefunden hat. Die Menschen hier brechen ständig die Regeln und das gefällt mir. Diese freche Attitude und dadurch entstandene Vielfalt inspiriert mich bis heute.
Auf der letzten Fashion Week habt ihr eine tolle Show gezeigt – sehen wir euch im September auf der nächsten Berlin Fashion Week wieder?
Das wünschen wir uns natürlich sehr.
Da wir allerdings immer wieder etwas Neues ausprobieren wollen haben wir noch nichts konkret geplant. Vielleicht gibt es statt einer Kollektion auch etwas Anderes von uns. Genaueres kann ich noch nicht sagen. An Ideen mangelt es jedenfalls nicht.
Danke für das nette Interview!