Textilmüll nimmt zu: Wir brauchen ein Umdenken

©️ Circular Berlin
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Circular Berlin setzt sich für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie ein. Woran die Wiederverwendung von Textilien derzeit scheitert, weiß Arianna Nicoletti

Der Konsum von Mode in Deutschland steigt. So ist von 2013 bis 2015 die Inlandsverfügbarkeit von Textilien von rund 1,3 Millionen Tonnen auf deutlich mehr als 1,5 Millionen Tonnen gestiegen. Früher oder später werden Mäntel, Hosen und Co. allerdings wieder ausgemistet. Insgesamt summierten sich die Textilabfälle 2018 auf rund 53.000 Tonnen gegenüber 20.000 Tonnen im Jahr 2015. Das stellt die Alttextilstudie „Bedarf, Konsum und Wiederverwendung von Bekleidung und Textilien“ des Bundesverbands für Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. (BVSE) fest. Arianna Nicoletti ist Textiles Lead bei Circular Berlin, einem gemeinnützigen Verein, der sich für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Hauptstadt einsetzt. Für sie besteht in puncto Recycling noch viel Luft nach oben: „Es fehlt an Unternehmen und Prozessen, die fähig sind, gebrauchte Textilien sinnvoll zu trennen und zu verwerten, denn dafür bräuchte man viel Geld und Entwicklungszeit. Außerdem scheitert das Recycling oft an einer mangelhaften Kennzeichnung der Materialien. Es ist nicht immer klar, welche Materialkomposition vorliegt und welche Chemikalien bei der Produktion zum Einsatz gekommen sind.“

Design ist entscheidend

Neben der klaren Kennzeichnung der Materialien und Förderung von Recycling-Technologien und -Unternehmen, sei aber vor allem ein Umdenken im Design- und Produktionsprozess nötig. „Der Designprozess ist der erste und wichtigste Ansatzpunkt. Wenn zum Beispiel keine Mischgewebe verarbeitet werden und/oder bei der Produktion auf Chemie weitgehend verzichtet wird, erleichtert das den Wiederverwertungsprozess erheblich. Die Designer*innen haben einen großen Einfluss darauf, welchen Weg die Textilien später einschlagen werden; ob sie in der Verbrennungsanlage landen, zu Baumaterialien downgecycelt werden oder zum Beispiel in neuer Funktion noch viele Jahre Verwendung finden. Meistens sind es auch sie, die entscheiden, ob bereits recycelte Materialien Eingang in die Kollektion finden“, sagt Nicoletti.

Beim Design ansetzen wollen auch die Organisator*innen des Circular Design Sprint, bei dessen Abschlussveranstaltung in Berlin im Oktober Nicoletti sprechen wird. Dabei wurden junge Modemacher*innen eingeladen, im Rahmen von Online-Workshops kreislauffähige Ideen zu entwickeln. Nicoletti: „Solche Initiativen sind wichtig und müssen unbedingt gefördert werden. Grundsätzlich sehe ich auch Städte und Kommunen in der Pflicht, kreislauffähige Produkte und Prozesse verstärkt zu unterstützen. Sei es mit Informationskampagnen, durch das Anbieten von Räumen für Repair Cafés, 2nd Hand Shops und dergleichen oder durch die Förderung innovativer Ideen und Konzepte.“ Natürlich entscheidet auch jeder Einzelne darüber, wie nachhaltig sein Konsum ist. „Der enorme Verbrauch ist die größte Hürde, wenn es um nachhaltigen Konsum geht. Es entsteht immer mehr Textilmüll aus minderwertigen Materialien. Deshalb sollten wir jede Kaufentscheidung – auch abseits von Textilien – bewusst treffen“, so Nicoletti abschließend.

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