Interview
Ein Interview mit Nachhaltigkeits-Expertin Clare Press
Clare Press, Autorin und Vogue Australia’s Editor-at-Large, ist die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. In dieser Saison der Berlin Fashion Week war Wasser das Kernthema der Fashionsustain. Dabei hielt Press eine inspirierende und informative Keynote-Präsentation als Einleitung zur Neonyt-Konferenz. Im Interview beantwortet sie unsere Fragen zum Thema Wasser und zur Nachhaltigkeit in der Modeindustrie.
Wie haben Sie Ihre Leidenschaft für Mode und Nachhaltigkeit entwickelt?
Schon seit dem Anfang meiner Karriere bin ich eine Modejournalistin. Seit knapp 20 Jahren habe ich immer darüber geschrieben, wie Sachen produziert werden. Ich habe oft Designer interviewt, viel über Handwerk geschrieben und auch viel darüber nachgedacht, wie Kleidungsstücke entwickelt werden. Aber vor fünf bis sechs Jahren habe ich wegen zwei Ereignissen angefangen, mich hauptsächlich auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren. Eine der beiden Sachen war Rana Plaza, der Unfall der im Jahr 2013 in Bangladesch passierte, bei dem 1.134 Menschen ums Leben gekommen sind. Das Andere war mein Buch namens „Wardrobe Crisis“, das davon beeinflusst wurde. Ich habe viel darüber recherchiert, wie verschiedene Stoffe und Mode die Natur beeinflussen. Daraus entstand meine Leidenschaft für das Thema.
Wieso ist Nachhaltigkeit besonders wichtig in der Modeindustrie?
Würden Sie gerne kurzlebige Mode besitzen? Es ergibt keinen Sinn, kurzlebige Mode zu haben. Ich verstehe nicht, wieso wir uns nicht viel mehr darüber beschweren. Wir könnten dadurch nämlich für eine nachhaltigere Industrie sorgen. Wir müssen aufhören, Kleidung zu designen und zu kaufen, die dafür entworfen wurde, weggeworfen zu werden. Wir können auf verschiedene Art und Weise das Mode-System formen, aber kurzlebige Mode ist gar keine gute Idee. Wir können immer noch Trends und hübsche Kleidungsstücke haben, aber das Tempo, in dem wir Kleidung konsumieren und wegschmeißen ist definitiv zu kurzlebig.
Das Hauptthema der Fashionsustain ist Wasser. Was denken Sie wird mit der Modeindustrie passieren, wenn die Ressource an Wasser knapp wird?
Wassermangel ist jetzt schon ein Problem. Uns ist das noch nicht ganz bewusst und den Konsumenten auch nicht. Heute haben wir von vielen Menschen gehört, die in der Industrie arbeiten. Diese will Wege finden, um den Wasserkonsum zu verringern. Allerdings finde ich, dass wir erst in der Anfangsphase sind, Wassermangel zu besprechen. Wir sprechen viel über Abfall, aber das Thema Wasser wird etwas vernachlässigt. Es wird immer teurer werden. Aber mal ehrlich, die Modeindustrie ist kommerziell. Es ist ein Business. Das heißt, wenn es immer teurer wird, Sachen zu produzieren, dann werden wir agieren müssen. Das ist doch unerlässlich, oder? Aber ich denke auch, dass es mittlerweile mehr Verständnis dafür gibt, dass wir dafür verantwortlich sind, mit Wasser einen verantwortungsvolleren Umgang zu finden. Wir haben die Verantwortung, auf unsere Ressourcen zu achten, nicht nur für uns, aber auch für andere Menschen. Die Modeindustrie wird teurer werden und langfristig können Menschen nicht wie gewohnt Kleidung produzieren. Wir brauchen neue, innovative, technologiebasierte Lösungen.
Wie kann die Modeindustrie agieren, um Wassermangel zu vermeiden?
Es gibt so viele Mittel, die man an verschieden Ebenen der Industrie anwenden kann. Es ist schwer, diese Frage schnell zu beantworten. Es kommt ja natürlich darauf an, was man produziert. Wir können Stoffe verwenden, die mit einem geringen Wasser-Fußabdruck produziert werden. Wir könnten mit NGOs und Regierungen zusammenarbeiten, um unseren Wasserverbrauch zu regulieren. Oder wir könnten auch für diesen Zweck, als gesamte Industrie kollaborieren. Wir sollten auch weniger Baumwolle verwenden, da diese sehr durstig ist.
Einer der Kernpunkte Ihrer Keynote war Inspiration. Werden Sie von nachhaltiger Mode in Berlin inspiriert? Wenn ja, weshalb?
Ja! Es ist so interessant. Ich habe das Gefühl, dass das Gespräch über Mode und Nachhaltigkeit hier sehr fortgeschritten ist. Aus meinen Beobachtungen wissen Leute aus Berlin mehr über nachhaltige Mode, als manche in anderen Ländern. Es scheint sehr modern zu sein und Leute verstehen es. Das finde ich sehr inspirierend. Junge Designer, Newcomer-Labels und Modestudentinnen und -studenten sind für mich die entscheidenden Personen, die was an dieser Situation verändern können. Ich liebe es, wenn ich die Newcomer kennen lerne. Die wollen Mode nicht auf dieselbe alte, ineffiziente und kurzlebige Art und Weise produzieren wie wir es mal gemacht haben. Sie haben mehr Optionen bezüglich der Stoffauswahl. Wenn man neu und modern sein möchte, muss man Nachhaltigkeit in seine Mode miteinbeziehen.
Was ist Ihr Rat an die neuen, nachhaltigen Labels in Berlin?
Upcycling! Ich finde, wenn man ein kleines Label ist, soll man sich nicht allzu sehr mit Wasser-Verwaltung befassen. Als kleines Label hat man nicht die Ressourcen, um einen großen Einfluss auf diese große, industrielle Kollaboration zu nehmen. Aber man kann entscheiden, welche Stoffe man verwendet. Upcycling ist toll, weil es günstig und zugänglich ist. Ich sehe, dass sehr viele Studentinnen und Studenten mit wiederverwendbaren Stoffen und Materialien wirklich dynamische Sachen produzieren. Das finde ich ziemlich aufregend. In den 80ern war Heimwerken in der Mode ziemlich beliebt. Viele Designer haben sich damit befasst wie zum Beispiel Vivienne Westwood und Galliano. Das war Upcycling, nur haben wir dieses Wort nicht verwendet. Wenn man das Geld für neue Stoffe nicht hatte, dann benutzte man alte Vorhänge. Das wird in der jetzigen Zeit wieder beliebter. Jetzt hat es ja seinen Namen und ist deshalb einfacher zu vermarkten. Es ist großartig, man verwendet alte Jeans, sammelt alte Sachen, die wiederverwendet werden könnten und macht was Neues draus.
Was war soweit Ihr Lieblingsmoment an der Berlin Fashion Week im Januar 2019? Gibt es etwas, worauf Sie sich noch besonders freuen?
Was mir bis jetzt am meisten gefallen hat, war die Neonyt Fashion Show, weil ich Kleidung liebe und ich interessiere mich besonders für neue Designs und was Menschen mit diesem ganzen Wissen produzieren. Diese ganzen nachhaltigen Pieces auf einem Laufsteg zu sehen, war aufregend. Ich freue mich besonders darauf, neue Labels zu entdecken, da es viele gibt, die ich noch nicht kenne.