“Der Berliner Stil macht Spaß”

© Gerrit Jacob, Till Milius
© Gerrit Jacob, Till Milius

Die Berlin Fashion Week hat sich über die letzten Saisons als wichtige Plattform und Bühne für Designer:innen und Labels etabliert. Ein zentraler Akteur dieser Transformation ist Herbert Hofmann, derzeit eines von fünf Jurymitgliedern des Berlin Contemporary-Wettbewerbs und seit Jahren Schlüsselfigur im deutschen Modebusiness. Wir haben den VP Creative & Buying bei Highsnobiety und ehemaligen Voo Store- Einkäufer nach seinen persönlichen Berlin- und Brand-Highlights gefragt. 



Was macht Berlin als Modestadt aus Buyer-Sicht besonders attraktiv?

"Als Einkäufer:in kann man sich trauen, neue Marken, Produkte und Stile einzukaufen. Die Berliner Stores sind für ihre Individualität bekannt, und sowohl Tourist:innen als auch Einheimische sind neugierig."

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Wie würdest du den ‘Berlin Style’ charakterisieren? Gibt es bestimmte Elemente oder Einflüsse, die diesen Stil prägen?

"Der Berliner Stil macht Spaß, weil er nicht zu definieren ist. Es gibt viel Secondhand und Vintage, was die Outfits sehr individuell macht. In Berlin sieht man selten komplette Markenlooks – wahrscheinlich auch, weil es nicht die gleiche Kaufkraft gibt wie in anderen Metropolen. Die Leute sind gezwungen, kreativer zu sein."

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Welche aktuellen Entwicklungen und Trends in der Berliner Modeszene findest du besonders spannend?

"Ich sehe immer mehr Vintage- und Secondhand-Outfits, was mich freut. Berlin ist eh schon für Vintage-Looks bekannt, aber immer mehr setzen auf den Zweitmarkt – vielleicht auch etwas aus finanziellen Gründen, aber ich hoffe auch aus Gründen der Nachhaltigkeit."

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Wo in Berlin fühlst du dich am meisten inspiriert, neue Trends zu entdecken?

"Gute Frage! Generell schaue ich sehr oft zweimal hin, wenn ich nicht in den beliebtesten Stadtteilen unterwegs bin. Was gerade angesagt ist, sieht man in Mitte und Prenzlauer Berg, aber die Inspiration für was Neues kommt meistens woanders her."

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Wann wurde dir klar, dass du ein besonderes Gespür für Mode hast, wie hat sich dieses entwickelt? 

"Meine Mutter hat trotz sehr wenig Geld immer viel Wert auf gepflegtes Aussehen gelegt, und ich glaube, so habe ich das aufgenommen. Aber ich hatte ein bestimmtes Interesse für Farben, Materialien und Produkte auch irgendwie in mir. Ich habe scheinbar schon als Kindergartenkind ihre Nagellackfarbe kritisiert – darauf bin ich nicht stolz und mache ich heute bei niemandem mehr. Ich liebe es, wenn Leute anziehen, was auch immer ihnen gefällt. Aber ich habe mein Auge geschult, zu sehen, ob ein Produkt oder Design einen Sinn macht oder ein ‘leeres’ Produkt ist, das nur gemacht wurde, um eine Produktkategorie zu füllen oder den Umsatz zu steigern."

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Warum habt ihr euch für die Location des physischen Highsnobiety-Stores in der Location Unter den Linden entschieden? Warum Berlin? 

"Berlin ist unsere Heimat (neben unserem zweitgrößten Büro in New York) und wir wollten schon länger einen Shop aufmachen, der an einem besonderen Ort ist. Als die Fläche Unter den Linden und im selben Block wie das Chateau Royal frei wurde, haben wir uns in die alten hohen Mauern verliebt. Berlin ist als Shopping-Destination immer bekannter geworden und wir denken, wir können mit unserem Mix an Produkten, Brands und Veranstaltungen noch was dazu beitragen."

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Welche Herausforderungen siehst du für junge Designer:innen in Berlin und wie kann die Stadt sie unterstützen?

"Junge Designer:innen haben es gerade nicht leicht – Geld für Spaß im Leben ist nicht unbedingt locker und gerade in etwas Neues und Unbekanntes zu investieren, liegt nicht im Blut der Deutschen. Bessere Beispiele gibt es hierbei z. B. in Skandinavien, wo die Mode eigener (junger) Unternehmen stolz gekauft und gefeiert wird. Wir als Magazin und Shop können über die Marken sprechen und ihnen Aufmerksamkeit geben, aber auch etwas investieren und die Kollektionen kaufen. Leider ist es auch nicht immer leicht, die Marken mitzutragen, bis der Durchbruch (hoffentlich) gelingt."

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Was sagst du internationalen Kolleg:innen, warum es sich lohnt, zur Berlin Fashion Week zu kommen?

"Berlin ist einzigartig, was die Kreativszene angeht. Ich erkläre Berlin immer als einen Mix aus Mode, Kunst, Musik, Kultur und Geschichte. Alle Szenen sind sehr verbunden und das zeigt sich in der Art, wie Mode gemacht und präsentiert wird."

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Was hat Berlin, was andere (Mode-)Metropolen nicht haben?

"Die große Freiheit, was den Lebensstil und die Lebenskosten angeht. Es wird zwar alles teurer, aber es ist immer noch günstiger, sein Glück hier zu versuchen als in anderen Metropolen.”

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Welche Designer:innen und Labels aus Deutschland sollten wir jetzt besonders im Auge behalten?

"Das Label Frnkow macht sehr tolle Produkte. Von hochwertiger Unterwäsche bis zu delikaten Hemden gibt es hier viel Feines zu entdecken. Auch die Marke Avenir kreiert spannende Designs. A Kind of Guise liebe ich nach all den Jahren immer noch. Ottolinger, 032c, GmbH und Gerrit Jacob, SF1OG machen auch einen super Job."