Interview
Designer Lucas Meyer-Leclère
Hallo Lucas, vielen Dank für deine Zeit. Würdest du dich, dein Label und wofür es steht kurz vorstellen?
Mein Name ist Lucas Meyer-Leclère und ich bin der Kreativdirektor des Studios LML. Karl Lagerfeld hat mich angeheuert, um Stoffe für Chanel zu entwerfen, als ich noch Student an der Saint Martins war. Ich lernte, wie man seine Kreativität voll entfalten kann und dabei extrem gut organisiert ist. Danach habe ich Accessoires für Jimmy Choo entworfen. Als ich zwischen London und Mailand gelebt habe, fehlte mir ein Gefühl der Aufregung, also zog ich nach Berlin, wo ich einige Kunstausstellungen entworfen. Schließlich vermisste ich die Mode und gründete LML Studio. Ich verwende bereits vorhandene Kleidungsstücke oder Stoffe, die von Hand bemalt und weiterverarbeitet werden. LML Studio steht für die Akzeptanz von Unterschieden und Harmonie innerhalb der Vielfalt.
Wann hast du entdeckt, dass Mode deine Leidenschaft ist? Hast du die Mode gewählt oder hat die Mode dich ausgewählt?
Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich “Die Schöne und das Biest” von Cocteau sah und begann, Kleider für die Figuren zu zeichnen. Das hat mich nie verlassen. Ich entschied mich dafür, das zu tun, was meine Seele am meisten zu verstehen und zu akzeptieren suchte. Je mehr ich lernte, loszulassen und es zu respektieren, desto besser ging es mir. Ich glaube jedoch nicht, dass wir uns das, was wir lieben oder wollen aussuchen. Wir formen es. Gestalten es. Polieren es. Das braucht Zeit. Und wir machen Fehler. Das kostet Energie. Und das Leben verliebt sich wieder in uns. Und das gibt Hoffnung.
Direkt zu Beginn deiner Karriere hast du bereits mit berühmten Designern wie Karl Lagerfeld und SANDRA CHOI zusammengearbeitet. Was hast du dort gelernt?
Karl war die personifizierte "Bescheidenheit". Hart arbeitend, sanft, großzügig, anspruchsvoll. Abgrundtiefe Kultur und ein hoher Sinn für Stil. Sandra ist auch in den stressigsten Situationen sympathisch und umgänglich, extrem fleißig und sehr bescheiden. Sie sind (waren) beide sehr zugänglich, hören (hörten) ihren Mitarbeitern aufmerksam zu und haben (hatten) großen Respekt vor handwerklichem Können. Letztendlich sind sie beide wunderbare Designer:innen (gewesen).
Du wurdest in Frankreich geboren, hast in Mailand und London gelebt und bist dann nach Berlin gezogen. Die Mode hier ist anders als in Italien oder Frankreich, sie steht für andere Werte. Was hat dich an Berlin gereizt?
Es gibt in Berlin keine tiefgehend verwurzelte Modekultur in der jüngeren Geschichte per se und das ist sehr befreiend. Es gibt aber überall großartige Künstler:innen. Was es in Berlin außerdem gibt, ist ein überwältigender Sinn für Stil und die Offenheit für persönliche Experimente. Es gibt einen Grund, warum viele großartige Designer:innen für der Suche nach Inspiration nach Berlin kommen. Und es gibt einen weiteren Grund, warum man auf vielen Laufstegen in Paris, London, New York und Mailand etwas von dieser Stadt sieht. Sex und Kunst haben mich anfangs nach Berlin gebracht. Die Möglichkeit, in Clubs “Liebe zu machen”, fand ich extrem befreiend. Dennoch verleiht hier zu leben ein Gefühl der Tiefe, der Moral, Intellekt und Verantwortungsbewusstsein, das ich als berauschend empfinde. Vielleicht durch meine Erfahrungen in der evangelischen Kirche und im kulturellen Leben. Wagner kann man aus Deutschland nicht herausnehmen. Auch die extreme Freundlichkeit und Großzügigkeit der meisten Deutschen.
Du lebst jetzt seit 5 Jahren hier, wie hat sich die Mode in Berlin in dieser Zeit verändert? Siehst du positive Veränderungen in Bezug auf ein größeres Nachhaltigkeitsbewusstsein der Verbraucher oder eher einen Rückgang des Interesses an nachhaltiger Mode?
Die Flut an verantwortungsvollen Geschäften zeigt, dass Labels sowie Verbraucher sich in diese Richtung bewegen wollen. Ich bin froh, dass ich meine Kleidung zum Beispiel in der “Galerie Molitor” in der Kurfürstenstraße ausstellen und verkaufen kann. Viele meiner Kund:innen interessieren sich auch für die Geschichte, die diese Kleider hierher gebracht hat.
Du nimmst zum zweiten Mal an der Berlin Fashion Week teil, wie fühlst du dich dabei?
Ich freue mich sehr, dass ich diese Gelegenheit noch einmal bekomme. Wir hatten eine wunderbare Zeit für "Painted Love" und es gibt noch viel Raum, Dinge anders machen, also behaltet uns im Auge!
Was hältst du von Upcycling?
Es ist lebenswichtig.
Deine Kleidung ist einzigartig. Sie ist nicht nur größenunabhängig, sondern auch geschlechtsunabhängig, warum ist das so?
Weil ich den Nervenkitzel des Unbekannten mag, Dinge auszuprobieren und Grenzen zu überschreiten. Emotionen sind dabei der Schlüssel. Seit ich ein Teenager bin, trage ich sowohl Männer- als auch Frauensachen und das in vielen verschiedenen Größen. Als ich mir meine erste Jacke anfertigen ließ, war ich etwa fünfzehn Jahre alt und das Gefühl, ein perfekt sitzendes Kleidungsstück anzuprobieren, ist unbeschreiblich. Dasselbe gilt für Hemden von “Budds” und Anzüge von “Huntsman” in der Savile Row. Deshalb bieten wir ab dieser Saison einen Maßanfertigungs-Service an.
Wie würdest du deine Kollektion in 3 Worten beschreiben?
Come. feel. Them.
Was treibt dich an? Was ist deine persönliche Mission als Designer, der sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit legt?
Das Aufzeigen alternativer Wege der Kreation. Einen neuen Luxus zu entwerfen, welcher in der Kunst als verantwortungsvolles Ökosystem wohnt. Mit den vorhandenen Ressourcen Neues zu kreieren und meine Kunden zu überraschen.
LML Studio steht unter der Schirmherrschaft von Elaine Sturtevant's Worten: remake, reuse, reassemble, recombine. Warum sind diese 4 Rs so wichtig für dich und deine Mode?
Zunächst einmal, weil Sturtevant als Künstlerin einzigartig ist. Sie hatte zum Beispiel Andy Warhol gebeten, ihr die Screens seiner Blumenbilder zu geben, um ihre eigenen Werke daraus zu schaffen. Sie machte Reproduktionen, aber nicht nur. Sie schuf auch sehr wilde Werke wie eine Geisterbahn, in der man viele verschiedene Kunstwerke sehen konnte. Diese vier R's, wie Sie es ausdrücken, helfen, ein künstlerisches Miteinander zu leben.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Modeindustrie heutzutage? Warum verwendest du Kleidung von Marken wie Jimmy Choo, Dior und Chanel und schneiderst sie um?
Nachhaltigkeit ist das erste und letzte, woran die Leute in der Modebranche denken. Zum Glück gibt es viele Initiativen. Trotzdem ist es aber schwer, sich auf einen Trend festzulegen, da Mode alles von Primark bis Louis Vuitton bedeuten kann. Ich wähle Kleidung nach ihrer Haptik und ihrem Schnitt aus. Meistens kommen die schönsten Sachen von oben genannten Labeln, aber nicht nur.
Was möchtest du mit deiner zu erwartenden Kollektion auf der Berlin Fashion Week im September in den Köpfen der Menschen auslösen?
Ich möchte die große Chance hervorheben, die wir hier haben. An Ort und Stelle. Ich halte es für eine Pflicht, bewusst zu leben und gleichzeitig die Freiheit so weit wie möglich zu genießen... aber am Ende des Tages sieht man vielleicht nur ein paar schöne Jacken an hübschen Jungs, und das ist doch auch schon ganz nett.
Wovon lässt du dich in Berlin inspirieren, wenn du mal nicht weiterkommst oder keine Ideen hast?
Schaubühne, Staatsballett, Komische Oper, Sprüth Magers und Isabella Bortolozzi. Ich wünschte manchmal, ich hätte weniger Ideen. Das Gefühl des "Steckenbleibens" kommt eher von der Frustration nicht jede Idee umsetzen zu können, weil man sich auf die relevant Ideen fokussieren muss. Aber gegen Zweifel hat mir ein Spaziergang im Tiergarten bisher immer sehr geholfen.
Was können wir in Zukunft von LML Studios erwarten?
Wir entwerfen für Tiran Wilmse und seinen Auftritt in Beaubourg. Außerdem die Errichtung eines größeren Ateliers mit einer Galerie für Künstler und unsere Kunden.
Vielen Dank für dieses Gespräch, Lucas. Viel Erfolg für die Berlin Fashion Week!
Merci!