Neo.Fashion. Gründer Jens Zander im Interview

©Jens Zander
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Als Teil der Berlin Fashion Week im September präsentiert auch die Neo.Fashion vom 6. bis 8. September ihre neuen Formate.

Lieber Jens, vielen Dank für deine Zeit. Magst du dich und das Konzept der Neo.Fashion in ein paar Sätzen vorstellen und wie die Idee dahinter entstand?

Ich bin Jens Zander, seit 1996 selbständig, bin Geschäftsführer der Agentur S49 und Gründer und Veranstalter der Neo.Fashion. Im Sommer 2016 brachte ein Gespräch mit einer Studentin der HTW Berlin die Geschichte der Neo.Fashion. ins Rollen. Sechs Jahre später freuen wir uns auf die sechste Ausgabe! Am Anfang stand einfach nur die Idee, eine „Graduate Show“ umzusetzen. Mit der zweiten Neo.Fashion. 2019 und der Teilnahme von vier Hochschulen, wuchs bei mir die Vision, mehr als nur ein Event sein zu wollen. Gemeinsam mit meinem Team haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine Plattform und Drehscheibe für die besten Absolventinnen und Absolventen der Modeschulen und jungen Designer:innen aus Deutschland zu werden. Wir möchten als neues Zukunftsnetzwerk jungen angehenden und aufstrebenden Designer:innen eine (Veranstaltungs-) Plattform zur Präsentation ihrer Kollektionen, zur Weiterbildung, zum Knüpfen von Kontakten zu Modemarken und der Industrie und zum Netzwerken bieten. Wir wollen den Nachwuchs fördern und fordern.

Die letzte Show ist nun genau ein Jahr her. Wie fühlt es sich an, diesen September wieder als Plattform und Netzwerk Teil der Berlin Fashion Week zu sein? Was können eure Zuschauer:innen erwarten?

Es fühlt sich super an und die Vorfreude wächst von Tag zu Tag. Vor allem freuen wir uns, dass wir mit der Neo.Fashion. zu einem festen Teil sowie Bestandteil der Berlin Fashion Week geworden sind. Die Zuschauer:innen können über drei Tage (6.9. - 8.9.) ein vielfältiges Programm mit 15 Fashion Shows sowie einem Showroom mit der Präsentation von aktuellen Kollektionen aufstrebender Labels aus Deutschland erleben. Zudem begrüßen wir junge Nachwuchsdesigner:innen aus Äthiopien und der Ukraine. 

An wen genau richtet sich euer Format?

Die Neo.Fashion. war von Anfang an daran interessiert, dass neben Fachbesuchern, Vertretern der Fach- und Tagespresse, der Industrie und Politik auch Fashion interessierte Besucher:innen herzlich willkommen sind. Das ist in diesem Jahr natürlich nicht anders.

Zum ersten Mal werden nicht nur Graduates Teil der Show sein, es wird auch einen zusätzlichen Showroom für junge Labels und Designer:innen sowie zwei Kollektivshows geben. Wie entstand diese Erweiterung des Formats und welche zusätzlichen Chancen erhoffst du dir für Teilnehmende?

Mit der Ausgabe der Neo.Fashion. 2021 haben rund 400 Graduierte an den bisherigen Shows teilgenommen. Viele „Ehemalige“, die sich mit ihrem eigenen Label selbstständig gemacht haben, sprachen mich an. Die Frage war, ob wir als Veranstalter nicht ein Format entwickeln wollen, diesen aufstrebenden Designer:innen eine Plattform zu geben. Gefragt, getan – das neue Format „Neo.Fashion. presents Aspiring Designers“ war aus der Taufe gehoben! Wir freuen uns, dass wir für die erste Ausgabe über 40 Bewerbungen hatten! Eine Jury hat dann 15 Teilnehmer:innen ausgewählt. Das neue Format füllt unserer Ansicht nach in sinnvoller Weise eine Lücke bei der aktuellen Nachwuchsförderung und bei der Berlin Fashion Week. Es ist unser Ziel diese Lücke zu schließen und den Teilnehmer:innen mit der Präsentation ihrer Kollektionen im Showroom und der Umsetzung der Shows eine Sichtbarkeit und medialen Wahrnehmung zu geben. Uns geht es aber auch um eine ökonomisch nachhaltige Betrachtung. Für die meisten Labels ist die Teilnahme an der Berlin Fashion Week eine Premiere. Durch den Austausch mit unserem Team und später mit den Besuchern, bekommen sie für die Entwicklung ihrer Marke wichtige Impulse und sammeln Erfahrung.

Ihr habt euch zur Aufgabe gemacht, ein deutschlandweites Netzwerk für junge Designer:innen zu schaffen. Welchen Herausforderungen blickt ihr entgegen und wie wollt ihr sie überwinden?

Rückblickend kann ich sagen, dass die größte Herausforderung darin bestand, zum einen die Verantwortlichen der Hoch-, Fach- und Kunsthochschulen und zum anderen die Stakeholder der BFW von der Idee der Neo.Fashion. zu überzeugen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Aktuell sehen mein Team und ich daher die größte Herausforderung darin, die Industrie und die Fachmedien für die Plattform Neo.Fashion. zu begeistern. Die Tatsache, dass sich in den drei Tagen der Neo.Fashion. die besten Absolvent:innen und eine Vielzahl von Designtalenten an einem Ort versammeln, konnten wir bisher nicht ausreihend kommunizieren. 

Welche Chancen bietet die Neo.Fashion den jungen Talenten?

Wir bieten ihnen ein Ziel. Aus den Gesprächen mit den Lehrenden haben wir erfahren, dass es für viele Studierende das ausgesprochene Ziel ist, ihre Abschlusskollektion in Berlin auf der Neo.Fashion. zu präsentieren. Wir bieten ihnen Erfahrungen. Die Teilnahme an so einem Format, wie die Neo.Fashion., ist für alle ein großes Erlebnis. Die Planung und Umsetzung einer Show, der Backstage Bereich, das ganze Drum Herum und der Austausch mit den anderen Teilnehmer:innen ist eine riesen Erfahrung, wovon sie profitieren. Und zu guter Letzt bieten wir ihnen Bleibendes. Die Talente können die Teilnahme an der Neo.Fashion. in ihren Lebensläufen schreiben. Sie haben von ihrer Show Fotos und Videos. Am Ende ist es eine Auszeichnung, zu den besten Absolventen seines Jahrgangs zu gehören.

Wie ist die Reaktion der jungen Talente auf euer Format und wie die der Industrie?

Die Reaktion der Talente ist durchweg positiv. Sie freuen sich riesig dabei sein zu dürfen, sind stolz auf sich und sehr dankbar dafür, diese Chance zu bekommen.  Von der Industrie kommen aktuell nur wenig Reaktionen. Hier erhoffe ich mir für die Zukunft ein größeres Engagement, vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels.

Wie empfindest du das allgemeine Miteinander junger Designer:innen / Labels? Ellbogen Kampf oder kollektives Zusammenspiel?

Ich erlebe innerhalb der Hochschulen ein kollektives Zusammenspiel. Dies wurde vor allem in der Corona Pandemie deutlich. Und auch jetzt ist es so, die Planungen und Vorbereitungen zur eigenen „Graduate Show“ werden gemeinsam vorangetrieben. Während der Neo.Fashion. ist es toll zu beobachten, wie die Teams zusammenwachsen und wie gut das Kennenlernen und der Austausch zwischen den Graduierten funktioniert. Von den jungen Designer:innen höre ich aktuell nur Gutes. Ich bin optimistisch, dass es auch während der Neo.Fashion. eher ein Miteinander als ein Gegeneinander sein wird.

Was hat sich im letzten Jahr für euch als Neo.Fashion sowie in eurem Berliner Netzwerk verändert? Stichwort Ukraine-Konflikt. Welche Veränderungen könnt ihr feststellen?

In den letzten Jahren konnten wir unser Netzwerk innerhalb der Stakeholder der BFW erweitern. So arbeiten wir u.a. sehr eng mit dem Fashion Council Germany zusammen. Auch in diesem Jahr hat der FCG die Jury für unseren Neo.Fashion. Award zusammengestellt. Das Thema Krieg in der Ukraine kam ja bereits zur BFW im März auf. Für die Ausgabe im September war sich das Netzwerk hier in Berlin schnell einig, neben der ausgesprochenen Solidarität auch Taten folgen zu lassen. Sehr viele Formate geben Ukrainischen Designer:innen eine Plattform, so wie wir.

Ihr arbeitet diese Saison auch mit der Ukrainien Fashion Week und der Universität Kiew zusammen - wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Im April haben wir Kontakt zur Botschaft der Ukraine aufgenommen. Daraus erfolgte der Kontakt zur Nationalen Universität für Technologie und Design Kiew. Wir freuen uns in einer digitale „Graduates Show“ 12 Talente zu präsentieren. Und in Zusammenarbeit mit der „Ukrainian Fashion Week“ werden sechs Teilnehmer:innen und Gewinner:innen des Formats „Look into the Future“ ihre Kollektionen ebenfalls in einer Collective Show zeigen. Wir sind der Meinung, dass Mode und Kreativität Raum und Freiheit brauchen. Wir sind voller Solidarität und freuen uns, den ukrainischen Designer:innen in ihrer aktuellen Situation eine Plattform geben zu können. Das ganze Team der Neo.Fashion. möchte an dieser Stelle seine Solidarität gegenüber dem ukrainischen Volk ausdrücken.

Die Berlin Fashion Week besteht nicht ohne das Thema “Nachhaltigkeit”. Siehst du neue Entwicklung in diesem Bereich? Welche Wege schlagen Graduates und junge Kollektive hinsichtlich Nachhaltiger Mode ein? 

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist schon seit einigen Jahren fester Bestandteil der Ausbildung bzw. des Studiums. Die Lehrinhalte werden zudem Stück für Stück ausgebaut. Das sieht man auch wieder bei den aktuellen Abschlusskollektionen. Mit der Auszeichnung in der Kategorie „Best Sustainability Concept“ beim Neo.Fashion. Award werden wir dieser Entwicklung gerecht. Auch bei den Bewerbungen zu den „Aspiring Designers“ wurde es sehr deutlich, dass sich alle jungen Labels mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ stark auseinandergesetzt haben. 

Welche Ansätze oder Innovationen aus diesem Bereich sollten wir uns deiner Meinung nach noch genauer anschauen?

Ich beobachte zwei Ansätze – zum einen das Thema „Upcycling“ und die Verarbeitung von Produktion Überhängen und das Thema „Genderfluid“. 

Mit Sicherheit gibt es mehr als nur eine Erfolgsgeschichte resultierend aus der Neo.Fashion. Verfolgst du den Werdegang einzelner Labels/Designer:innen, dessen Geschichten dich besonders überrascht/beeindruckt haben? Und wenn ja, was macht sie so besonders? 

Ja, es gibt einige Erfolgsgeschichten. Ich weiß zum Beispiel von drei Graduierten, die jetzt erfolgreich bei Film und im Theater arbeiten. Und um einmal ein namentliches Beispiel zu nennen: im letzten Jahr hat Paul Kadjo beim Neo.Fashion. Award gewonnen. Er ist ein wirklich toller kreativer junger Mann. Gemeinsam mit einem Design Kollektiv aus dem Senegal hat er das Projekt „Design Up“ ins Leben gerufen und nimmt in diesem Jahr mit diesem Projekt bei den „Aspiring Designers“ teil. Ich bin mir sicher, dass wir noch viel von ihm sehen und hören werden.

Der Neo.Fashion Award ist das Highlight der Neo.Fashion - letztes Jahr war die Jury hochkarätig besetzt - kannst du schon verraten, wer dieses Mal dabei sein wird? Im Rahmen des Awards hast du eng mit der MBFW und dem Fashion Council Germany zusammengearbeitet - wird diese Zusammenarbeit weitergeführt oder sogar ausgebaut?

Der „Neo.Fashion. Award“ mit den Best Graduates, die Essenz der besten deutschen Absolvent:innen aus dem Bereich Modedesign, nominiert von 11 Hoch-, Fach- und Kunsthochschulen, ist wirklich ein Highlight. Und auch in diesem Jahr wurde die Jury durch den Fashion Council Germany zusammengestellt. Mit dabei sind:

Claudia Hofmann – Fashion Consultant, Curator and Fashion Stylist

Leyla Piedayesh – CEO LALA Berlin

Neslihan Değerli – Head of Production/Fashion Editor avec nous GmbH und TITLE Magazin

Carina Bischof – Fashion Revolution Germany

Florian Müller – MÜLLER PR & CONSULTING & Fashion Revolution Germany

Timo Wolf – Innovation Lead H&M beyond

Sebastian Warschow – Chief Communication Officer Agentur Haebmau

Aus terminlichen Gründen findet die Awardshow nicht auf der MBFW statt. Gemeinsam mit dem Veranstalter ist aber verabredet, dem oder den Gewinner:innen der Awards im kommenden Jahr eine Sichtbarkeit im Rahmen des Berliner Salons zu ermöglichen.

Welche Chancen siehst du für die Neo.Fashion. in Zukunft?

Grundsätzlich bin ich optimistisch für die Zukunft. Die Herausforderungen, wie die Energiekrise, Corona und die ungewisse Wirtschaftslage, müssen angegangen und mit positiver Grundstimmung bewältigt werden. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen und z.B. die Industrie mit ins Boot holen, sollte auch einer Umsetzung der Neo.Fashion. zweimal im Jahr nichts im Wege stehen.

Wo werden wir dich zur kommenden Berlin Fashion Week außerdem antreffen?

Ich bin bei einigen Events eingeladen. Obwohl ich ein wirklich tolles Team um mich herum habe, werde ich nicht allen Einladungen Folge leisten können. Zum Netzwerkabend des FCG am Montagabend werde ich aber bestimmt gehen.

Danke für deine Zeit und das Interview, lieber Jens!

Vielen Dank, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, über die Neo.Fashion. zu berichten!