202030

Interview mit SALAH SAID, Zalando Fair Fashion

„Wenn Du was nicht cool findest, dann tu was!“

Salah Said, 30, wurde in Berlin durch seinen „WorldCitizen“ Verein bekannt. Er hat Politikwissenschaft und Soziologie studiert, war bei Firmen wie SAP, Schufa und Boeringer Ingelheim im Bereich CSR tätig und unterstützte dann bei „Social Impact“ junge Unternehmer wie „Tip Me“ und „Conflictfood“. Nach seinem Einstieg als Corporate Citizenship Manager, greift er nun bei Zalando als Strategischer Projektmanager die großen globalen Herausforderungen von Fair Fashion im Bereich nachhaltiger Produkte, Circularity und Skilling an.

Interview: Uta Gruenberger

Bevor Du als Nachhaltigkeitsstratege bei Zalando angefangen, warst Du sozusagen NGO-Experte?

In der Tat hatte ich eigentlich immer schon den Drang, die Welt ein Stück besser zu machen. Allerdings haben mich bis vor kurzer Zeit vor allem soziale Unternehmen interessiert. Das ging los mit meinem eigenen Verein „WorldCitizen“ vor zwölf Jahren. Da organisierte ich unter anderem Workshops für Jugendliche zu den Themen Diversität und Inklusion. Meine Eltern waren Palästina-Flüchtlinge und so kannte ich aus meiner eigenen Kindheit das Gefühl anders zu sein ziemlich gut. Durch meine Aktionen lernte ich früh: Ja, du kannst was bewegen. Wenn du was nicht cool findest, dann tu was! Gerade in den Jahren dann bei „Social Impact“ entstand aber auch die Überlegung: Wie und durch was habe ich die größte Hebel-Wirkung?

Und dann bist Du bei Zalando gelandet?

Das war in der Tat mein erster Berührungspunkt mit der Textil-Industrie und Fashion-Branche und mir war nicht im Ansatz bewusst, wie viele Möglichkeiten es gibt, Dinge zu verbessern. Das hat mich dann natürlich auch total gereizt – die Größe eines Retailers wie eben Zalando.

Wir bieten ja gut 35 Millionen Kunden fast 3000 Fashion-Brands zum Shoppen an. Unsere Vision bei Zalando ist es, eine nachhaltige Mode-Plattform zu sein, die unterm Strich eine netto-positive Auswirkung auf Mensch und Erde hinterlässt. Das heißt, wir wollen unser Unternehmen so führen, dass wir der Gesellschaft und der Umwelt mehr zurückgeben, als wir nehmen. „Weniger schlecht“ ist nicht gut genug.

Es sind also tatsächlich mehr und mehr Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren?

In den meisten Firmen der Textilbranche ist gerade die letzten Jahre enorm viel passiert. Das Thema ist auch für unser Senior Leadership relevant und sie nehmen aktiv an unseren Nachhaltigkeitsprojekten teil. Irgendwie geschieht gerade ein essenzieller Haltungswandel, denn immer mehr Finanzköpfe sehen die höheren Budgets für Fair Fashion-Produktion und transparente Lieferketten nicht mehr als lästige Reduktion des Gewinns, sondern als alternativlose Investition in die Zukunft.

„Der Blick auf den Öko-Footprint – alternativlos!“

Langsam wissen einfach auch alle, dass gerade die Textil-Industrie die CO2-Bilanz enorm belastet, sprich dass sie ein echter Klima-Sünder ist. Dass man also gar keine andere Wahl hat, als auf seinen ökologischen Footprint zu achten.
Da ist jetzt ein globales Bewusstsein am Erwachen. Besonders für Dinge und Produkte, die nahe am Körper des Konsumenten sind, also Nahrungsmittel, Kleider usw. Da wollen die Menschen mittlerweile genau wissen, wo kommt das her? Was sind da für Rohstoffe drin?

Wer sich als Kunde dafür interessiert, hat aber meist das Problem mit den Tausenden Zertifikaten …

Nachhaltigkeit ist ein riesiges und komplex vernetztes Universum. In Zusammenarbeit mit der Sustainable Apparel Coalition (SAC) und Higg Co versucht Zalando, diesen Urwald von Zertifikaten zu standardisieren und bietet Marken und Händlern die Möglichkeit, ihre Performance im Hinblick auf ethische und ökologische Parameter zu bewerten. Darunter fallen Menschenrechte, faire Löhne und CO2-Emissionen.

„Vertrauen können …“

Aber noch viel spannender ist die Frage, wie interessiere ich den Endkunden überhaupt für diese Transparenz? Wie mache ich die Informationen zu Herkunft etc. sexy und verdaubar, ohne zu überfordern? Ich denke, dass in Wahrheit die wenigsten Konsumenten alles ganz genau wissen möchten. Sie wollen vielmehr vertrauen! Sie wollen sicher sein können, dass eine Ansage wie: Dieses Produkt ist fair und sauber, das auch tatsächlich ist! Und ich denke, als Kunde darf man auch erwarten, dass nicht jede Firma ’ne eigene Nachhaltigkeitsstory auftischt, sondern, dass es bald mal einfache, gemeinsame Standards gibt.

Dann wäre also eine gemeinsame Roadmap für die Industrie sinnvoll?

Für die Vision, dass langfristig ausschließlich nur mehr nachhaltige Produkte hergestellt werden, muss in jedem Fall eine sehr enge Kooperation zwischen Industrie-Initiativen, NGOs, Fashion Brands und Retailer her. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen. Und zwar gleich auf EU- bzw. globaler Ebene. Es wäre schön, wenn das auch ohne gesetzliche Manschetten funktioniert.

Zalando hat erst jüngst einen Re-Commerce Service eröffnet …

Aktuell wird weniger als 1Prozent der gesamten Mode recycelt. Erschreckend! Was ist, wenn vielleicht schon bald nicht mehr genügend Rohmaterialien vorhanden sind? Zalando Kunden können seit Herbst nun auch gebrauchte Mode kaufen oder gegen einen Gutschein ihre „pre-owned“ Stücke eintauschen.

Die sogenannte Kreislaufwirtschaft ist auch in der Mode-Industrie endlich angekommen und die Bandbreite an Innovationen im Bereich Circularity sind beeindruckend – von Recycling über Rental bis zu Re-Commerce. Unternehmen, die Verantwortung übernehmen und sich den neuen Herausforderung kreativ stellen, werden die gefeierten Pioniere von morgen sein.

Du traust also der neuen Welt von visionären Produzenten und kritischen Konsumenten sehr viel Verantwortung zu?

Wenn ich mir den roten Faden meiner Berufslaufbahn bis dato anschaue, dann hat mich das Thema Verantwortung tatsächlich immer am meisten interessiert. Wie schafft es zum Beispiel eine Business Company von sich selbst aus, seine Werte zu finden und gleichzeitig die Werte ihrer Zielgruppe wahrhaftig zu vertreten.
Es geht nicht mehr nur ums Produkt am Markt. Es muss die ganze Botschaft, die Welt dahinter mit der Haltung der Konsumenten übereinstimmen.
Und all das in konkrete Klima- oder Social Impact-Projekte umzusetzen, sich also freiwillig zu einem realen Beitrag zu verpflichten – das finde ich spannend. Insofern war und ist die Modebranche ein sagenhaft reizvolles wie auch ergiebiges Spiel- und Innovationsfeld.

Weitere Informationen:
Salah Said
Zalando