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Wie reagieren die Berliner Labels und Designer, sowie Modeexperten auf die Corona-Krise
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen und wirtschaftlichen Einschränkungen treffen auch die Textil- und Modebranche hart. Weltweit sind in der Branche enorme Umsatzeinbrüche zu verzeichnen.
Laut einer bundesweiten Mitgliederumfrage des Gesamtverbands Textil und Mode gaben etwa 80 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen an, Kurzarbeitergeld beantragt zu haben und 22 Prozent gaben an, unter den aktuellen Bedingungen, in spätestens einem Monat Insolvenz anmelden zu müssen.
Zwar dürfen in Berlin Geschäfte mit einer Ladenfläche unter 800 Quadratmetern und unter Einhaltung strenger Hygiene-Vorschriften seit Mittwoch wieder öffnen, doch die Ladenschließungen sowie unterbrochene Lieferketten, erschwerte Arbeitsbedingungen und große Unsicherheit zeigen deutliche Spuren. Dass es angesichts der Krise keine Option ist, den Kopf in den Sand zu stecken, zeigt ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Ganze 40 Prozent der befragten Textil- und Modehersteller gaben an, ihre Produktion auf die Anfertigung von Mund- und Nasenmasken umgestellt zu haben.
Stores stellen auf e-Commerce um
Wir haben uns bei Berliner Stores, Labels und Designern umgehört, und wollten wissen, wie sie mit der Krisensituation umgehen.
Nicole Jäckle, die Geschäftsführerin des nachhaltigen Stores Supermarché zählt zu den Unternehmerinnen, die sich sorgen, Ihr Geschäft könnte die Krise nicht überstehen. Fast 5 Wochen musste der Berliner Laden schließen. “Damit sind 90% unserer Einnahmen von einem Schlag auf den anderen weggebrochen, Fixkosten wie Mieten, Versicherungen, Nebenkosten, Verträge etc. laufen aber weiter. Derweil ist unser Laden prall gefüllt mit der neuen Sommerware, die wir bereits bezahlt haben, aber nicht verkaufen können. Im Juli kommt schon die Herbstware und damit weitere Rechnungen. Unsere 7 MitarbeiterInnen sind in Kurzarbeit, was auch für uns sehr unschön ist, da wir wissen, dass sie dadurch viel zu wenig Geld bekommen.”, erklärt Jäckle.
Zwar bessert sich die Situation nach den neuesten Beschlüssen der Regierung, jedoch ist Jäckle bewusst, dass der Betrieb trotzdem nicht so fortführbar sein, wie vor Corona: “Das Gewusel im Laden an einem Samstag wird es so erstmal nicht mehr geben können und die damit verbundenen Einnahmen fallen weg.” Wie bei vielen anderen Berliner Stores, haben die Ladenschließungen auch bei Supermarché zur Einrichtung eines Onlineshops geführt. Um das Geschäft und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu retten, wurde ein Onlineshop eingerichtet, über den unter anderem auch als Neuzugang im Sortiment Mund- und Nasenmasken verkauft werden, die die Mitarbeiter/innen selbst nähen. Dankbar ist Jäckle vor allem auch ihren Stammkund/innen, die in den aktuellen schwierigen Zeiten Solidarität zeigen und in Mails Anteilnahme zeigen und Gutscheine erwerben.
Auch die Gründerin des Design Labels Nix, Barbara Gebhardt ist auf die Maskenproduktion umgestiegen: “Wir haben als modisches Statement zur Situation, Masken passend zur unserer Kollektion entworfen und diese zum Selbermachen DIY ins Netz gestellt. Das Feedback war enorm und wir nähen seit zwei Wochen nur noch Masken, obwohl wir eigentlich zum Selbernähen inspirieren wollten.”
Schmuck-Designer leiden unter Ausfall von Hochzeitsfeiern
Für die Schmuckdesignerin Johanna Gauder, die ihren Schmuck ohnehin hauptsächlich online vertreibt, macht sich die Krise eher an anderer Stelle bemerkbar: “Neben dem Verkauf des Kollektionsschmucks fertige ich Ehe- und Verlobungsringe auf Wunsch an. Viele Hochzeiten werden auf das kommenden Jahr verschoben oder abgesagt, wodurch langfristig eine deutliche Umsatzlücke entstehen wird.” Wie viele, hofft auch sie in diesen Zeiten, dass die Corona-Krise am Ende auch etwas Gutes bewirken könnte – ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit, “[...] weg von schnelllebiger Mode hin zu bewusstem, nachhaltigem Konsum und der Wertschätzung von lokalen Akteuren mit einem wertschöpfenden Konzept.”
Designer hoffen auf mehr Nachhaltigkeit nach der Krise
Das Designer-Duo Jale Richert und Michele Beil von Richert Beil hat sich von Corona überrumpelt gefühlt: "Wir haben nicht erwartet, dass wir direkt in der Woche nach unserer Show UTOPIA am 6. März auf Abstand gehen müssen. Es war für uns der letzte Tag Normalität. Derzeit arbeiten wir alle in Heimarbeit und einige Termine und Bestellungen wurden leider abgesagt. Unser gesamtes Team stellt Masken her und diese und andere Artikel verkaufen wir online besser als in den Saisons zuvor." Aktuell nutzen sie die Gelgenheit, neue Wege der Kommunikation und Vernetzung zu testen. Sie sind der Meinung, in der Krise könnte auch eine Chance liegen: "Durch die Corona-Krise liegt der Fokus derzeit auf regionalen Brands, was sehr positiv ist. Berlin hat eine Chance bekommen, die Krise zu nutzen, um sich unabhängig von anderen Fashion Weeks aufzustellen und spontan zu reagieren. Wie das jeder für sich nutzen wird bleibt abzuwarten. Wichtig ist hierbei ein Zusammenhalt innerhalb der Branche und der Mut Strukturen loszulassen, die jetzt nicht mehr greifen, damit sich neue Ideen und Möglichkeiten entwickeln können."
Der Berliner Designer Kilian Kerner berichtet, die Situation sei für ihn existenzbedrohend. Die Umsätze brechen ein und die laufenden Kosten bleiben bestehen. Das steckt kaum jemand so einfach weg. Der Designer hat sich für die Flucht nach vorne entschieden und ebenfalls damit begonnen Masken herzustellen und diese über seinen Onlineshop zu vertreiben. Das Besondere: Fünf Euro des Verkaufspreises in Höhe von 14,95 Euro werden an die Berliner Tafel gespendet.
Die Designerin Isabel Vollrath fühlte sich zunächst gelähmt von der Situation und der damit verbundenen Ungewissheit. Die Pandemie trifft sie in einer Phase, in der sie beginnt sich mit gesellschafts- und konsumkritischen Fragen zu beschäftigen und ändert auf einmal alles. Sie empfindet es als eine “Rache der Natur”, wie sie in einem Interview mit dem 4SEE Magazin erklärt.
Auch Leyla Piedayesh, Gründerin des Labels Lala Berlin erhofft sich ein gesellschaftliches Umdenken, weg von Fast Fashion, hin zu mehr Wertigkeit, wie sie gegenüber der Berliner Morgenpost erklärte. Auch ihre Mitarbeiter sind im Homeoffice und der Fokus hat sich auf den Onlineshop verlagert.