Das war die Berlin Fashion Week Fall/Winter 2022/23

©Photo by Sebastian Reuter/Getty Images for Kilian Kerner
©Photo by Sebastian Reuter/Getty Images for Kilian Kerner

Was für eine Woche! Vom 14. Bis 20. März 2022 startete die Berlin Fashion Week ihre erste Saison in diesem Jahr und zeigte sich gemeinschaftlich stark mit klarer Haltung. In diversen Formaten wie der MBFW Berlin, der Berliner Salon, 202030 – The Berlin Fashion Summit, Fashion Open Studio und Studio2Retail sowie vielen weiteren Events wurden Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation, Handwerk, Zusammenhalt und Solidarität für die Ukraine gezeigt. Wir haben die Highlights dieser Saison zusammengefasst:

@Der Berliner Salon

Zum Auftakt der Berliner Modewoche öffnete Der Berliner Salon die Gruppenausstellung im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin, gefördert von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Gezeigt wurden insgesamt 31 Designer:innen, die von der Mitinitiatorin des Berliner Salons, Christiane Arp, ausgewählt wurden.

Unter den ausgewählten Designer der Gruppenausstellung Herbst/Winter 2022/23 waren: Aeyde, Anna Auras, Antonia Zander, Avenir, Carla Renée Loose, Dawid Tomaszewski, Detlev Diehm, Esther Perbandt, Fiona Bennett, Hannibal, Horizn Studios, Horror Vacui, Julia Leifert, Karen Jessen, Konrad, Lala Berlin, LML Studio, Lutz Morris, Maximova Jewelry, Odeeh, Oftt, PB 0110, René Storck, Rianna + Nina, Sminfinity, Société Angelique, Stiebich & Rieth, Studio 163, SUS Berlin, Vickermann und Stoya sowie 2020untainted mit dabei.

Zur offiziellen Opening Reception kamen nicht nur Journalist:innen und Branchen-Expert:innen, sondern auch Franziska Giffey, Bürgermeisterin von Berlin, und Michael Biel, Staatssekretär für Wirtschaft, und eröffneten die Berlin Fashion Week mit inspirierenden Reden.

@Fashion Council Germany

Am Montagabend lud der FCG zum Dinner ein und präsentierte seine erste Kooperation mit Cabildo de Gran Canaria, der kanarischen Regierung und Schirmherr der Gran Canaria Swim Week – der größten Runway-Show für Bademode in Europa. Der Beginn dieser einmaligen Zusammenarbeit wurde mit einem exklusiven Fashion-Event samt siebengängigen Michelin-Sterne-Dinner mit kulinarischen Spezialitäten aus Gran Canaria gefeiert.  Geladen waren deutsche und kanarische Designer, wie Aurelia Gil, Chela Clo, Como la trucha al trucho, Elena Morales, Maldito Sweet, Nuria González und Palmas aus Gran Canaria, sowie Hien Le, Lala Berlin, Oftt, PB0110, William Fan und Working Title aus Deutschland. Das Highlight des Abends war der Launch eines auf Gran Canaria produzierten Fashion Film, der die verschiedenen Besonderheiten/Talente der Designer:innen sowie die Freundschaft der beiden Organisationen widerspiegelt.

Im ersten Fireside Chat des Jahres wurden die acht Gewinner:innen des Förderprojekts FASHION X CRAFT vorgestellt. Das Projekt zur Förderung von Nachwuchsdesigner:innen wurde vom Fashion Concil Germany, der Swarovski Foundation und The Prince's Foundation ins Leben gerufen worden. Für Christiane Arp, Vorstandsvorsitzende des Fashion Council Germany und Jurymitglied bei FASHION X CRAFT,  ist das eine Herzensangelegenheit: „Mode hat sowohl als Kulturgut wie auch als Wirtschaftsfaktor eine globale integrative Kraft. Sie steht für Freiheit und grenzenlose Kreativität – Werte, die heute wichtiger sind denn je. FASHION X CRAFT schafft Verbindungen, lädt ein zum Dialog und ist somit ein weiterer Meilenstein des Fashion Council Germany.“

Zu den Gewinner:innen des Förderprogramms zählen Alexis Mersmann (HTW Berlin), Jana Heinemann (HTW Berlin), Julia Ballardt und Nico Verhaegen (Royal Academy Antwerp), Mirjam von Mengershausen (Kunsthochschule Berlin-Weißensee), Philip Kofi Wagner (Hochschule Hannover), Svea Katharina Beckedorf (Central Saint Martins College London) und Taskin Goec (Kunsthochschule Berlin-Weißensee). Anlässlich des Firesidechats, dem Branchentreff der Berlin Fashion Week, konnten die Gäste im Eingangsbereich des Hotels Zoo Gästen jeweils zwei Looks und Kurzbeschreibung der Gewinner:innen bestaunen.

@Mercedes-Benz Fashion Week

Bevor es dieses Mal bei der MBFW richtig losgehen konnte, legten alle Teilnehmenden, Designer:innen und Gäst:innen eine Schweigeminute ein, um der Opfer des Ukraine-Krieges zu gedenken. Die Saison eröffnete dann mit der ersten Designerin auf dem Laufsteg Sofia Ilmonen, Preisträgerin des neuen Mercedes-Benz Sustainability Awards. Die Finnin ist für ihre femininen und verspielte Designs bekannt geworden. Ihr Schwerpunkt liegt dabei aber nicht nur auf ihrer Handwerkskunst, die sich in den Details ihrer Mode abzeichnet, sondern besonders Nachhaltigkeit und ein zirkuläres Verständnis von Mode. Mit Schlaufen als Befestigungsmechanismus einzelner Teile, kann ihre Kleidung immer wieder zu neuen Formen gewandelt werden.

Bekannte Gesichter wie Marcel Ostertag, Justin Cassin, Rebekka Ruetz, Kilian Kerner, Esther Perbandt, Danny Reinke, Eli by Elias Rumelis präsentierten ebenfalls ihre Kollektionen und konnten mit ihren Mustern und Trends für Herbst/Winter 2022/23 überzeugen und interessante Impulse bieten.

Die Show von Jean Gritsfeldt war hier ein emotionaler Höhepunkt. Der ukrainische Designer konnte aufgrund des Krieges nicht selbst vor Ort sein, entschied aber trotzdem, weiterhin an der MBFW teilzunehmen, als Zeichen für Frieden. Eine Initiative von Fashion Revolution und Sustainable Fashion Matterz nähte kurzfristig seine neu entworfene Kollektion nach. Mit einer emotionalen Performance als Opening, Fliegeralarm und starken Botschaften in den Entwürfen, wirkte die Show von Jean Griftsfeldt noch lange nach.

@Studio2Retail (Platte)

„Mode verbindet!“ – Die Opening Show am Montag, in Zusammenarbeit mit der Branchenvertretung Fashion Council Germany, fand direkt im und vor dem Platte.Berlin Store statt. Ganz im Style der Hauptstadt präsentierte Platte seine Designs auf ungewöhnlichem Weg – die diversen Models zeigten die Entwürfe auf Laufbändern in den großen Schaufenstern. Nicht nur die Show war ein absoluter Hingucker, auch die Message gegenüber der Ukraine-Situation machte Sevil Uguz, Gründerin von Platte, deutlich. Die Stadt Berlin und Platte.Berlin riefen zu Spenden für die Ukraine auf und verteilten blau-gelbe Schleifen als Zeichen von Frieden und Solidarität. Berliner Mode müsse auch politisch sein und das sei ein Weg dahin, sagt Ann Franke vom Bezirksamt Mitte, die das Projekt unterstützt. Am Donnerstag dann präsentierte Judith Bondy, eine Nachwuchsdesignerin bei Platte, sechs bunte und ausgefallene Looks, die den Frühling einläuteten.

@202030Summit

Vom 15. bis zum 17. März 2022 fand die dritte Edition von 202030 – The Berlin Fashion Summit unter dem Titel „Regenerative Fashion Systems – Implement Positive Impact“ im Rahmen der Berlin Fashion Week statt. Erstmals seit dem Launch des Summits Anfang 2021 trafen sich 50 hochkarätige Expert*innen nicht nur digital, sondern auch physisch im Metropolenhaus in Berlin.

Am ersten Tag gehörte die Critical Conversation „What’s the industry you want?“ zum Highlight. Im Gespräch definierten die Sprecherinnen Olivia Windham Stewart und die bangladeschischen Aktivistin Nazma Akhter die sozio-kulturellen Eckpunkte einer (verantwortungsbewussten) Industrie, wie viele es sich wünschen würden.

An Tag Zwei überzeugte der „Technology driving local production on demand“ Diskurs von Daniel Ruben von Kornit Digital, : in der er darüber sprach, wie on-Demand Produktion mit Mirko-Fabriken in urbanen Räumen Umweltbelastungen senken könnte. Ein weiteres Highlight war die Critical Conversation „The positive impact of regenerative agriculture on fashion“ mit Nishanth Chopra von Oshadi Studio und Aras Baskauskas von Christy Dawn, eines der ersten Labels, das durch regenerative Anbaumethoden brachliegende Baumwolläcker wieder zum Blühen bringt.

Ein Highlight des letzten Tages des Summits war der Diskurs „Measuring and acting on corporate biodiversity impact“, wo Christian Dietrich von Sfeeri ihre bahnbrechende Entwicklung unternehmerisches Wirken effizient und systematisch auf die Biodiversity zu messen. Auch ein Ausweg aus den schwer skalierbaren Social Audits? Im Panel Talk „EU textile strategy – a Dutch-German perspective“ erläuterten Ingo Strube vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Ingrid Elbertse von der Fair Wear Foundation, Marije Slump vom niederländischem Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft sowie Rüdiger Fox von Sympatex den potenziell sehr einflussreichen, EU-weiten Regularienkatalog für Lieferketten von europäischen Unternehmen.

In einem Punkt waren sich alle Teilnehmenden einig: So kann es nicht mehr weitergehen. Wir haben finite Ressourcen. Ein Wandel muss her und das schnell. Bei dem Summit konnte man sich die verschiedenen Talks sowohl live, wie auch online ansehen und teils interaktiv daran teilnehmen.

@FashionOpenStudio

Ebenfalls live gestreamt wurde eine Reihe von Kurzfilmen der Initiative Fashion Open Studio in Kooperation mit Fashion Revolution Germany, die transparente Einblicke in Design- und Herstellungsprozesse von Designern geben, die sich für nachhaltige Mode engagieren. Die Labels Melisa Minca, Become A-Ware, Vladimir Karaleev, Anima Protection und viele mehr nahmen daran teil.

Mit Melisa Minca, Vladimir Karaleev bekamen die Gäste der Berliner Modewoche die Chance hinter die Kulissen zu blicken und interaktiv mit Designern/Unternehmern in den Dialog zukommen. Neben Online-Events bot der Become-A-Ware Shop im Bezirk Schöneberg einen Upcyling-Workshop an. Teilnehmende konnten aus alten Kleidungsstücken mit Farbe und Schnitttechniken etwas Neues machen.

Am 17. März 2022 präsentierte dann das Label Anima Protection ihre neue Kollektion „Cheminio Skonto Obuolys“. Die beiden litauischen Schwestern Gintare und Lauryna stellten passend zu ihrer Nachhaltigkeitsideologie in dem second-Hand Kaufhaus „Noch Mall“ ihre Mode vor. Die eher ungewöhnliche Location wurde nicht nur miteinbezogen, sondern wurde auch Teil der Show. Der Laufsteg war mit persischen Teppichen ausgelegt und die Zuschauer saßen in Sesseln aus der Noch-Mall . Anima Protection ist das perfekte Beispiel dafür, dass Mode auch tiefe Verankerungen mit politischen und sozialkritischen Themen hat. Obwohl der Stil ihrer Kollektion eher feminin war, lösten die Designerinnen bewusst die gesellschaftlichen Gendergrenzen.

Die Modenschau endete mit einer Auktion. Versteigert wurden die von litauischen Kindern selbstgemachten Plüsch-Hunde, die während der Show als Accessoires dienten. Der Gewinn wurde für einen guten Zweck gespendet. Bereits während der Show zog das sehr gegensätzliche und eher unschuldige Accessoires große Aufmerksamkeit auf sich. Der Bruch der Designs mit diesem unschuldigen Spielzeug gab der Show einen ungewöhnlichen, aber interessanten Eindruck.

Weitere Highlights

Ein definitives Highlight war die Marc Cain Runway Show im Varieté Wintergarten in Mitte. Unter dem Motto „Express Yourself“ präsentierte das deutsche Label vergangene Woche seine neue Herbst/Winter Kollektion 2022/23. Die einzigartige Inszenierung war in Rosé und Rottönen getaucht. Neben dem oben genannten Motto setzte die Traditionsmarke Marc Cain beim Finale ein eindeutiges Zeichen: Als das Licht nach einem kurzen Moment wieder angeschaltet wurde, standen alle 47 Models gemeinsam auf der Bühne – mit geöffneten Handflächen, auf die das Peace-Zeichen gemalt war. Im Hintergrund lief der Song “Russians“ von Sting. Ein klares Statement für Frieden und Toleranz – gegen Krieg und Gewalt.