Recap: ZEITmagazin x Vogue Konferenz Mode & Stil „Fashion Reloaded“

Zum dritten Mal stand am Anfang der Fashion Week die ZEITmagazin x Vogue Konferenz Mode & Stil. Das Thema lautete diesmal "Fashion Reloaded" – Eine Zusammenfassung.

Zum Auftakt der Berlin Fashion Week Herbst/Winter 2016/2017 stand zum dritten Mal die ZEITmagazine x Vogue Konferenz "Mode & Stil". Dieses mal widmete sich die mehrstündige Talkrunde mit unterschiedlichen Gästen dem Thema „Fashion Reloaded“ – wie kann und muss man sich in der Mode und der Kreativbranche ständig verändern und erneuern?

Zu Gast waren renommierte Gäste aus der Modewelt wie beispielsweise Stefano Pilati, Chefdesigner von Ermenegildo Zegna, Designerinnen Dorothee Schumacher und Marina Hoermanseder, so wie Justin O'shea, Chef-Einkäufer von mythersa.com.

Style Director des ZEITmagazins, Tillmann Prüfer, begann die Konferenz mit einer kleinen Anekdote und betrat die Bühne als Darth Vader. Diese Verkleidung sollte nicht unbedingt auf den aktuellen Star Wars Film hinweisen, sondern viel mehr ein Symbol dafür sein, dass auch die erfolgreichsten Figuren, sich verändern müssen, um mithalten zu können und nicht auf Dauer uninteressant zu werden. Egal ob Designer oder Filmlegende, wer erfolgreich sein will, muss sich stetig neu erfinden, es reicht nicht eine gute Idee einfach nur leicht abzuändern. „Kreativität ist, etwas Neues in die Welt zu bringen“ – und nicht nur das. Laut Prüfer lässt sich Kreativität in kein Businessplan pressen. Das Wichtigste in der Mode sind die Träume, aber Träume sind anstrengend, was nicht bedeutet, das man damit aufhören sollte. „Es gibt in der Mode eine Sprache, die nicht missverstanden werden kann“, meint Prüfer und bezieht sich damit auf die Modekritikerin Suzy Menkes, die der Meinung ist, dass gesellschaftliche Veränderung stets zuerst in der Mode zu sehen ist, wie beispielsweise bei Vionnet, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Frauen vom Korsett befreite. „Mode ist ein Stoff, in den Träume eingewebt sind“, so Prüfer.

Ein schönes Zitat, um in interessante Gesprächsrunden zu starten. Als erster Gast erschien Designerin Dorothee Schumacher. Im Gespräch mit Christiane Arp plädiert sie dafür, dass Berlin als Modestandort und wichtige Anlaufstelle für Kreative, mehr an sich glauben muss. „Wenn wir nicht an uns glauben, wer soll es dann tun?“, fragt sie die Runde. Sie selbst sieht die Menschen um sich herum als Inspiration und nutzt dies, um ihre Mode stetig weiterzuentwickeln und sich nicht von Grenzen einschränken zu lassen.

Justin O'shea, Globasl Fashion Director des Online-Shops Mytheresa, kam direkt aus Mailand von der Fashion Week zur Konferenz. Er besucht die Männermodeschauen in Mailand, da sich die Frauenmode mehr und mehr an der Männermode orientiert und auch andersrum. Man muss mit der Zeit gehen, denn es gibt heute keine Grenzen mehr. „Die weibliche Kundin und der männliche Kunde bewegen sich in derselben Welt, gehen an die gleichen Orte, hören die gleiche Musik“, so O'shea. Grund genug, dass auch die Mode aufhört in Grenzen zu denken. Große Designerhäuser wie Gucci oder Saint Laurent machen es vor und der Kunde geht mit. Grund der schnellen Weiterentwicklung und des Verlusts langwährender Trends sieht er in der Digitalisierung der Welt und den Social Media Kanälen, was jedoch nicht von Nachteil ist. Auch er hat seinen Erfolg dieser Entwicklung zu verdanken, denn da er sich über Social Media Kanäle als eigene Marke kommunizierte, gewann er selbst auch mehr und mehr an Ruhm. „Instagram is the Opportunity for Individuality and fashion is more available than ever.", lautet sein Fazit zur Weiterentwicklung innerhalb der Mode. Grundsätzlich verstehe er nicht, warum auf Modeschauen so selten jemand lächelt und Spaß hat. Ein Thema, das sich durch die gesamte Konferenz ziehen sollte.

Als nächstes kamen Jungdesignerin Marina Hoermanseder und Dr. Christian Ehler, Mitglied des Europäischen Parlaments, zu Wort. Mittlerweile ist Hoermanseder kein Label mehr, sondern auch ein Unternehmen, das mehr als 15 Angestellte beschäftigt. Sie glaubt an die Stadt und das Potential, ist dankbar für die zahlreichen Unterstützungen, die ihr als Label derzeit geboten werden und hofft, dass auch ihre Kollegen europaweit in den Genuss kommen dürfen, auf diese Art und Weise von Anfang an unterstützt zu werden. Ehler sieht in Berlin eine Stadt des Aufbruchs: „Die Franzosen und Italiener hingegen begeistern sich für die Ikonographie ihres eigenen Landes.“ – ein Missstand, der in Deutschland herrscht wird damit aufgedeckt, denn warum sollen andere an Berlin und deutsche Mode glauben, wenn die Deutschen es selbst nicht tun.

„Berlin muss eine Ehe mit der Mode eingehen!“, so Ehler. Es zeigte sich, dass die Kreativindustrie eine der bedeutendsten der europäischen Wirtschaft ist und mit ihrem Umsatz und Anzahl der Beschäftigten selbst die Automobilbranche übertrifft. Das Problem ist jedoch, laut Ehler, dass die Branche nicht vereint ist, sie kein Dach hat, das sie zusammenfasst. Ein wünschenswertes Ziel für die Zukunft und ein Plan der gerade am Anfang steht.

Zur überraschend amüsanten Gesprächsrunde wurde Wana Limar, Moderatorin von MTV Style, und Philipp Käßbohrer, TV-Produzent, im Gespräch mit Christoph Amend, Chefredakteur des ZEITmagazins. Während Limar ihre sehr persönlichen Empfindungen zur Modebranche äußert: „Es scheint als wären Modemenschen sehr depressiv – so wollte ich niemals werden“, erklärt Käßbohrer, wie er das Fernsehen eher durch Zufall mit neuen Sendeformaten revolutionieren durfte. „Herausforderungen sind vor allem auch Chancen.“ – sein Erfolg kam laut Käßbohrer aufgrund „unglaublicher Selbstüberschätzung“ zu Stande, womit wir wieder beim Thema wären, dass nur die, die an sich glauben, auch ernst genommen werden. Auf die Frage, warum man im Deutschen TV fast nur schlecht angezogene Menschen sieht, antwortet Limar selbstsicher, dass das Fernsehen nur das Volk wieder spiegelt. Wer sich im öffentlichen Raum um sein Aussehen kümmert, wird in Deutschland oft als sehr eitel oder als „komischer Vogel“ abgestempelt. Viele ehrliche Worte über die deutsche Modelandschaft, die nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Schmunzeln brachten. Erneut ein Appell der beiden TV Profis: Wir sollten die Mode mit sehr viel mehr Humor nehmen und viel mehr Lachen.

Man schwenkt über zum nächsten Gespräch über „Mode in den Museen“ und interviewt hierzu Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle München. Er ist gerade zuständig für die Ausstellung zu Jean-Paul Gaultiers Werk und probiert immer wieder etwas Neues zu bieten und nicht nur Mode an Puppen darzustellen. In seinen Ausstellungen zeigt er Film, Fotografieren, dazu Animationen und Impressionen, die die Mode lebendig machen. Noch in den 2000er waren Modeausstellungen eher ein kritisches Thema und wurden nicht ernst genommen. Heute gelten sie als Publikums Magnet, doch wie Diederen sagt, ist Mode nicht automatisch ein Erfolgsrezept für Museen. Es liegt nicht an der Mode alleine, denn nur unbemüht ausgestellte Mode kann ebenso langweilig wirken, wie viele andere Ausstellungen. Museen dürfen sich demnach nicht darauf ausruhen, das Mode trendorientierter wirkt und dadurch von alleine eine Masse anzieht. Man muss sie in Szene setzen.

Vittorio Radice, Vice Chairman der La Rinascente Group, machte das Selfridges in London wieder zu einer Berühmtheit. Vor kurzem kaufte die La Rinascente Group die Mehrheitsanteile an der KaDeWe-Gruppe. Auch hier steht alles im Zeichen des Umbruchs. Es ist Zeit und wichtig, Berlin als Stadt zu repräsentieren. „In Berlin wird überall gebaut“, scherzt Radice, „Also müssen wir auch im KaDeWe umbauen!“ Was genau verändert werden soll, will er noch nicht verraten. Fakt ist, dass er auch beim Selfridges-Konzept auf Neuartiges setzte. Er passte das Einkaufshaus an seine Kundschaft und Lage an, drehte die Musik hoch, setze auf neue Farbkonzepte, wie die knallgelbe Tüte und organisierte Performances, welche das Traditionshaus zum neuen beliebten Shopping-Hot-Spot machten. Man darf gespannt sein, was er mit dem KaDeWe vor hat – sein Motto lautet jedenfalls: „We have to change!“

Zu guter Letzt war es so weit: Der Mann auf den alle gewartet haben, setzt sich mit Christiane Arp zum Gespräch auf die Bühne. Stefano Pilati, Chefdesigner bei Ermenegildo Zegna zeigte sich von einer äußerst offenen, sympathischen und amüsanten Seite. Er erzählte, wie er als kleiner Junge auf dem Weg jede mögliche Scheibe als Spiegel nutzte und so bemerkte, wie wichtig ihm gutes Aussehen und Mode ist. Er appelliert: „You should not work in fashion, if you don't have taste!“ Er selbst bewies als Stylist der italienischen Vogue und danach als Chefdesigner bei Yves Saint Laurent sein Talent und revolutionierte beispielsweise den Anzug, in dem er einen „Broken Suit“ kreierte. Da hinter steckt nicht nur ein neuer Trend, denn er setze mehrere Anzüge übereinander, er brachte die Kunden auch dazu, sich nicht nur einen, sondern dadurch zwei Anzüge zu kaufen. Pilati bedauert und nimmt es auch sehr ernst, dass Mode heute mehr Entertainment ist, als alles andere. Früher hatte alles mehr Glanz, heute sind wir nur „adversitng stickers“. Er selbst entschied sich nicht wegen des Ruhms für Mode, sondern weil er die Mode schätzt und liebt.

Zum Ende der ZEITmagazin x Vogue Konferenz appelliert auch Arp an die Zuhörer: „Wir sollten alle mehr lächeln – es ist Zeit was zu ändern!“ und verkündete im gleichem Atemzug, dass ein neuer Sponsor dem Fashion Council ab sofort zur Seite steht und dies niemand geringeres ist als das Unternehmen Swarowski. Man kann demnach auf eine glitzernde Zukunft der jungen, deutschen Modeindustrie hoffen und das Lächeln kommt da ganz von alleine.